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ARALORN - Der Verrat (German Edition)

ARALORN - Der Verrat (German Edition)

Titel: ARALORN - Der Verrat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Briggs
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Platz auf ihrer Schulter. Ärgerlicherweise war ihr das Untergewand an dieser Stelle ein Stück herabgerutscht und hatte nur eine einzige Stoffschicht zwischen ihrer Haut und den scharfen Bussardkrallen gelassen.
    »Pass bloß auf«, ermahnte sie ihren Onkel. »Ich will nicht noch mehr Narben. Ich sehe in Abendrobe ohnehin schon grotesk genug aus.«
    Halven krümmte die Krallen gerade so weit, dass sein Griff nicht wehtat.
    »So geht’s«, sagte sie.
    Der Bussard spreizte leicht die Flügel, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während sie durch die Feste schritt. Wolf trottete lautlos hinterher. Nachdem die Begräbnisvorbereitungen auf unbestimmte Zeit verschoben worden waren, waren die meisten Gäste wieder abgereist, und die Dienerschaft war mit dem Abendessen beschäftigt, sodass die Burg wie verlassen wirkte – zumindest bis sie an einer Turmtreppe nahe des Trauersaals vorbeikamen.
    »Wieso lässt Mutter dich dein Viehzeug mit in die Burg nehmen, wenn wir nicht mal unsere Hunde hereinbringen dürfen? Hat sie vielleicht Angst vor dir? Oder hast du sie, wie Nevyn behauptet, verhext?«, fragte eine jugendliche Stimme kühl.
    Aralorn trat zwei Schritte zurück, bis sie den Bereich unter der Treppe einsehen konnte. In ihrer Eile hatte sie das schwache Licht, das die Öllampe warf, gar nicht bemerkt. Doch jetzt erkannte sie, dass in den beengten Raum unterhalb der Stiege eine kleine Studierstube gezwängt worden war. Die Burg war nicht übermäßig groß, und bei einer Familie mit so viel Nachkommenschaft wie die des Löwen gehörte schon einiges an Einfallsreichtum dazu, ein noch von niemandem beanspruchtes Eckchen zu finden.
    Der Junge, der sie angesprochen hatte, kauerte mit einem großen Buch auf dem Schoß auf einem Schemel. Es war abzusehen, dass er schon bald so hochgewachsen wie der Rest der Familie sein würde – größer als Aralorn war er jedenfalls längst –, aber darüber hinaus schien er geradezu beängstigend dürr. Die Ärmel seines Hemdes, aus dem er längst herausgewachsen war, entblößten seine knochigen Handgelenke, was den selbstbeherrschten jungen Burschen merkwürdig verwundbar wirken ließ. Es dauerte einen Moment, bis sie in dem Mann, der er zu werden im Begriff war, den Knirps von damals erkannte.
    »Da war kein Zwang dabei«, erwiderte sie im Plauderton. »Ich schätze, selbst ein … Jauler würde Irrenna keine Angst machen. Ich hab ein oder zwei Mal gesehen, wie sie Vater die Stirn geboten hat, und er ist furchteinflößender, als ich es je sein könnte. Und Hexerei? Nein, wirklich nicht – ich verfüge gar nicht über die Art von Kräften, mit denen sich die Gedanken von Leuten beeinflussen lassen.« Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hätte sie behauptet, dass sie niemand besaß, aber die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit hatten sie eines Besseren belehrt. »Der Wolf würde, wenn er draußen herumliefe, nur die Schäfer in Unruhe versetzen, Gerem. Es ist für alle sicherer, wenn er bei mir bleibt.«
    Gerem war ein Jahr jünger als Lin. Aralorn hatte ihn als einen stillen Dreikäsehoch mit einer unvermutet starrsinnigen Ader in Erinnerung. Die eisblauen Augen, in denen Abneigung und Furcht funkelten, waren allerdings ein neuer Anblick. Momente wie dieser waren genau der Grund dafür gewesen, warum sie Lammfeste verlassen hatte. Schlimm genug, dass Nevyn schlecht über sie dachte; aber dass ihre ganze Familie Angst vor ihr hatte war mehr, als sie zu ertragen vermochte. Auf einmal konnte sie Wolf gut verstehen.
    »Und der Bussard?«
    »Hmm«, sagte Aralorn und versuchte seine Feindseligkeit an sich abprallen zu lassen – immerhin war er noch ein kleiner Windelkacker gewesen, als sie in die Welt hinausgezogen war; er konnte sie nicht wirklich gut kennen. »Lady Irrenna weiß noch nichts von dem Vogel.«
    »Wenn die Lady Irrenna etwas dagegen hat, werde ich wieder Menschengestalt annehmen«, sagte der Bussard ruhig. »Aber ich würde es vorziehen, zu bleiben, wie ich bin.«
    Gerems Augen weiteten sich. »Ein Gestaltwandler«, stieß er hervor.
    Aralorn nickte. »Ganz recht. Ich hab Irrenna gesagt, dass …«
    »Hat er es getan?«
    Aralorn sah ihn abschätzend an. Etwas in seiner Stimme ließ sie vermuten, dass er in erster Linie sie anzugreifen versuchte.
    »Findest du nicht, dass du dir ein bisschen viel herausnimmst, indem du einen Gast dieses Hauses beschuldigst?« Sie hatte den freundlichen Ton, in dem sie bisher zu ihm gesprochen hatte, aufgegeben. »Er hat sich

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