ARALORN - Der Verrat (German Edition)
nicht mehr hier gewesen seid, hab ich mir ein paar Gedanken gemacht. Und als Ihr dann heute zu mir kamt, fiel mir wieder ein, dass ich Euch danach fragen sollte.«
»Es war ein Jauler«, sagte Aralorn. »Er wurde gestern unweit der Feste getötet. Doch ich sehe keinen Grund, Euch Eure Bitte abzuschlagen. Eine Hand wäscht die andere.«
»Was verlangt Ihr von mir?«, fragte Tilda zögernd.
Aralorn vergrub ihre Finger in Wolfs Nackenpelz und räusperte sich. »Nun, es gibt da diesen Freund, der unbedingt verheiratet werden muss.«
Tilda starrte sie einen Moment lang ungläubig an. »Um so etwas hat mich noch nie jemand gebeten.«
Kein Wunder, dachte Aralorn. Seit Generationen gab es hier keine Priesterin von Ridane mehr, und selbst wenn, würden sich nur wenige Menschen in ihrem Tempel vermählen wollen. Eine im Namen der Todesgöttin geschlossene Ehe hatte besondere Konsequenzen. Der eine Partner konnte nicht mehr weiterleben, falls der andere starb.
Aralorn zählte bei diesem Plan auf drei Dinge: erstens, dass niemand je den entsprechenden Eintrag in Tildas Tempelregister zu Gesicht bekommen und damit eine Verbindung zwischen Cain ae’Magison und Aralorn samt ihrem Wolf herstellen würde. Zweitens, dass Wolf aufgrund seines recht unausgewogenen Allgemeinwissens nichts von der Besonderheit wusste, die eine Eheschließung vor Ridane für die Beteiligten mit sich brächte. Und drittens, dass ihm, wenn er es denn erführe, ihr Leben wichtiger wäre als sein eigener Tod.
»Könnt Ihr eine Hochzeitszeremonie abhalten?«, fragte Aralorn.
»Ja«, sagte Tilda langsam. »Ich kenne die entsprechenden Riten.«
Aralorn beugte höflich das Haupt. »Ich danke Euch.«
Sie wandte sich an Wolf, der sie die ganze Zeit über scheinbar fassungslos angestarrt hatte. »Nun?«, fragte sie.
Er sah kurz zu Tilda, dann schenkte er Aralorn einen langen Blick aus seinen gelben Augen. Nachdem er offenbar zu dem Schluss gekommen war, dass sie sein Geheimnis ohnehin so gut wie verraten hatte, fragte er nur: »Warum?«
Weil ich dich nicht verlieren will , dachte sie. Es klang richtig für sie, daher sagte sie: »Weil ich dich nicht verlieren will. Niemals. Ich liebe dich.«
Ihr Bekenntnis schien ihm etwas zu bedeuten, obwohl er es schon einmal aus ihrem Mund vernommen hatte, denn er stand nun so reglos da, dass sie ihn kaum atmen sah.
»Das ist zu gefährlich«, sagte er schließlich. »Irgendjemand wird die Aufzeichnungen zu Gesicht bekommen.« Dabei war seine Stimme so emotionslos, dass man nichts aus ihr heraushören konnte.
Ein gutes Zeichen , dachte sie. Würde er wissen, was diese Heirat tatsächlich bedeutet, hätte er mein Ansinnen von vornherein abgelehnt. »Zu gefährlich« war keine Absage, und er kannte sie lange genug, um zu wissen, dass sie es auch nicht so verstehen würde.
»Wer käme schon auf die Idee, in einem Tempel der Todesgöttin das Eheregister einsehen zu wollen?«, fragte Aralorn. »Und die Inkarnation einer Göttin würde mit Sicherheit nicht vom Zauber deines Vaters erfasst werden.« Sie wandte sich zu Tilda um. »Würdet Ihr zustimmen, diese Eheschließung geheim zu halten?«
Sie nickte langsam. »Falls sie nicht gegen eines der Gebote von Ridane verstößt, ja.«
»Ich kenne dich, Aralorn«, sagte Wolf mit einem tiefen Knurren. »Du kämpfst nicht in der regulären Armee, weil dir die Bande, welche die Kameraden aneinanderschmieden, zu eng sind. Du arbeitest allein, und das ist genau das, was dir am meisten liegt. Es gibt viele Menschen, die dich mögen, und einige, die du magst, aber du hast nicht einen einzigen wahren Freund. Du schützt dich mit einem Schild aus Freundlichkeit und Humor.«
»Aber ich habe Freunde«, gab sie ein wenig gekränkt zurück. Sein Vorwurf schien haltlos, und, wie sie fand, ungerechtfertigt. Nicht sie war der Einzelgänger, sondern er.
»Nein«, beharrte Wolf. »Wem hast du denn beispielsweise von deiner Reise hierher berichtet?«
»Ich hab Maus eine Nachricht übermittelt.«
»Das betrifft deine Arbeit«, sagte er. »Du gingst davon aus, dass dein Vater gestorben war, und hast niemandem davon erzählt. Was stand denn in der Nachricht an Ren? Dass du wegen irgendwelcher Familienangelegenheiten nach Hause musst? Hast du ihm vom Tod des Löwen berichtet, oder hast du es vielmehr seinen anderen Spitzeln überlassen, dies für ihn herauszufinden?«
Er hat recht , dachte sie. Wie seltsam es doch ist, sich selbst durch die Augen eines anderen zu betrachten und eine
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