ARALORN - Der Verrat (German Edition)
Falhart herritt. »Das ist doch nur eine Geschichte.«
Obwohl ihre anderen Brüder die schnellen, für leichtfüßigere Gangarten gezüchteten Rassen ritten, war Gerems Pferd wie auch Schimmer ein Schlachtross. Zwar jünger als Aralorns Pferd und ein stolzer Rotfuchs, hatte sein Pferd im Moment doch etwas an sich, das sie nur zu gut von ihrem eigenen Hengst kannte. Seine Nüstern waren aufgebläht, die Brust vorgewölbt, und obwohl Gerem ihn mit leichter Hand führte, verhielt sich Schimmer ebenso, wenn Aralorn ihn in wütender Stimmung ritt.
Dies in Verbindung mit Gerems betont beiläufigem Ton brachte Aralorn auf einen Gedanken. Sie richtete sich kerzengerade im Sattel auf, und Schimmer hielt abrupt an. Die Männer kamen aus Gründen der Höflichkeit ebenfalls zum Stehen. Gerem hatte überrascht gewirkt, als sie die Frage stellte, aber sie wollte bei ihm nicht mit der Tür ins Haus fallen. Dreizehn , rief sie sich ins Gedächtnis. Gerem ist erst dreizehn .
»Sag mal«, begann sie schließlich, »wie schläfst du eigentlich in letzter Zeit des Nachts? Hattest du vielleicht schlechte Träume.«
In Gerems Gesicht zuckte ein Muskel. »Und wenn’s so wäre?«
»Träume von unserem Vater?«, bohrte sie sanft weiter. »Womöglich träumtest du von seinem Tod, noch bevor er wirklich fiel?«
Gerem erbleichte.
»Aralorn«, rief Falhart schroff dazwischen. »Such dir einen Gegner aus, der dir gewachsen ist. Jeder hat doch mal schlechte Träume.«
»Vielleicht waren es ja mehr als Träume«, sagte Aralorn mit fester Stimme. »Am Ende fühlten sie sich vielleicht fast wirklich an, stimmt’s, Gerem?«
Ohne Vorankündigung zog Gerem seine Füße aus den Steigbügeln und schwang sich aus dem Sattel. Er schaffte es gerade noch bis ins Unterholz, bevor die anderen hörten, dass ihm wohl entsetzlich übel geworden sein musste.
Aralorn hatte ein schlechtes Gewissen und stieg ebenfalls ab.
Gerem erschien wieder auf dem Pfad und wirkte noch blasser als zuvor. »Ich dachte, es war ein Traum«, begann er langsam. »Und so musste es doch auch gewesen sein – ich hab ja keine Ahnung von Magie oder davon, wie sie funktioniert. Aber ich träumte, dass ich ein Feuer entzünde und einen mächtigen Zauber wirke. Es brannte, bis ich dachte, das Fleisch fiele von meinen Händen. Ich nahm an, es wäre ein Traum, doch als ich erwachte, da war dieser Hof niedergebrannt, und an meinen Stiefeln klebte Asche. Ich … glaube –« Er brach ab und schluckte schwer, dann fuhr er hastig fort: »Ich glaube, ich war derjenige, der Vater mit diesem Fluch belegt hat.«
»Blödsinn«, rief Falhart gereizt aus.
»Sei kein Narr«, schnappte Correy.
»Ich denke, du könntest recht haben«, murmelte Aralorn. Dann fuhr sie schnell fort: »Nun schaut mich nicht so an. Er trägt gewiss keine Schuld daran, wenn es denn so war. Du fragtest, warum ich mich nach dem Träumer erkundigt hab? Weil es genau so gewesen sein könnte. Er verführt seine Opfer dazu, genau das zu machen, was er will – entweder, indem er ihnen die Erfüllung eines Wunsches verspricht oder indem er sie glauben lässt, dass sie eigentlich etwas ganz anderes tun.« Sie schaute in die ernsten Gesichter der anderen. »Man erzählt sich, dass die Träne von Hornsmar eines Nacht einen Traum hatte. Eine Schlange griff ihn in seinem Bett an. Als er erwachte, wollte er seiner Geliebten Jandrethan, die neben ihm schlief, von diesem Albtraum erzählen. Er stellte fest, dass sie mit seinem eigenen Schwert enthauptet worden war. Und er stellte auch fest, dass er das Schwert noch immer umklammert hielt.«
»Aber der Träumer … das ist doch nur ein Ammenmärchen«, sagte Gerem. »So wie … Drachen.«
»Ah«, erwiderte Aralorn, während sie sich behände in den Sattel schwang. »Das sagt man auch von Gestaltwandlern. Und bin ich nicht der lebende Beweis dafür, dass in jeder Geschichte ein wahrer Kern steckt?« Sie schüttelte den Kopf, aber als sie weitersprach, klang ihre Stimme sanft: »Nimm’s dir nicht so zu Herzen, Gerem. Du hättest ohnehin nichts daran ändern können.«
Obwohl er wieder im Sattel saß, machte Correy keinerlei Anstalten weiterzureiten. »Nur noch zwei Wochen, dann stirbt Vater. Kisrah wird sein Bestes versuchen … aber es muss doch irgendetwas geben, was wir tun können. Aralorn, kennst du vielleicht den einen oder anderen Zauberer, der uns dienlich sein könnte? Wenn es schwarze Magie ist, die Vater in ihrem Todesgriff hält, dann kann uns vielleicht ein Magier
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