Arams Sündenbabel
Schweiß der Nacht abzuwaschen.
Er ging wie ein reuiger Sünder mit gesenktem Kopf. So einer bewegte sich, wenn er Angst hatte. Tatsächlich, seine Furcht war noch nicht vorbei. Sie nagte in ihm. Aram erwartete etwas. Er lauschte auf Geräusche. Manchmal hörte er von unten her das Kichern oder auch mal ein Poltern, einen Fluch oder auch einen Schrei. Auch Bitten und Flehen waren ihm nicht neu. Er hatte dann stets das Gefühl, dass hinter den Kulissen im Unsichtbaren etwas ablief.
»Guten Morgen, Aram...«
Abrupt blieb er stehen. Da war sie wieder – diese verdammte Stimme!
»Gut geschlafen?«
Er schwieg.
Dann das Kichern. »Keine Träume gehabt? Keine bösen Träume, lieber Aram...?«
De Fries schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, woher die Stimmen kamen. Aber er hatte sie sich nicht eingebildet. Sie waren da, und sie meinten immer nur ihn. Das war einfach so. Das alles hörte er heute nicht zum ersten Mal.
»Lasst mich in Ruhe!« keuchte er. »Verdammt noch mal, lasst mich endlich in Ruhe. Ich will mit euch nichts zu tun haben. Ich kenne euch nicht. Ich mag euch nicht. Ich hasse euch. Ich habe euch nichts getan, verflucht noch mal!«
»Aram...«, hörte er wieder das Flüstern, und er wusste nicht, ob die Stimme nur von einer Person oder von mehreren stammte. »Wir sind doch bei dir, mein Freund. Wir werden immer bei dir sein, verstehst du?«
»Ja, ja, aber ich...«
»Kein Aber, Aram. Es ist das Schicksal. Du kannst nicht dagegen an. Du bist bei uns, wir sind bei dir. Und wir müssen dir wieder einmal sagen, dass wir uns wohlfühlen. Ja, Aram, wir fühlen uns hier wohl und wunderbar. Wir mögen dich.«
Schmerzen zuckten durch seinen Kopf. Nicht die Geisterstimmen hatten sie verursacht. Es lag an ihm selbst. Ohne zu schauen, war er nach vorn gelaufen. Er hatte die Tür zum Bad verfehlt und sich den Kopf an der Wand gestoßen. Er fluchte wütend.
Er trat etwas zurück und schaute angespannt in die Runde.
Es war nichts zu sehen. Vor ihm gab es die absolute Leere. Keiner erschien. Kein Mensch, kein Geist, einfach nichts. Er war allein und glaubte es trotzdem nicht.
Es gab sie.
Sie machten sich über ihn lustig. Und er wusste auch, dass er es nicht mehr lange durchstehen konnte. Er wollte zu keinem Spielball einer fremden Macht werden.
Glücklicherweise ließ der Schmerz in seinem Kopf nach. Er war auch nicht zu wuchtig gegen die Wand geprallt. Ins Bad wollte er noch immer. So stieß er die Badezimmertür nach innen. Er wollte schnell hinein und wäre beinahe über die eigenen Füße gestolpert.
Das Bad war ziemlich düster. Ein mit grauen Schatten gefülltes Viereck. Es gab nur die Dusche, keine Wanne. Ein Waschbecken mit Spiegel, daneben ein Regalbrett, auf dem die Handtücher lagen.
Er fuhr mit der Hand an der Wand entlang und erwischte den Lichtschalter.
Die Lampe unter der Decke gab nur schwaches Licht ab. Es legte sich wie ein gelblicher Filter über den kleinen Raum.
Aram de Fries ging auf das Waschbecken und den Spiegel zu.
Vor dem Becken blieb er stehen. Ihm war plötzlich übel. Er betrachtete sein Spiegelbild.
Er sah sich auch.
Das schmale Gesicht mit der bleichen Haut. Die dunklen Augen, die tief in den Höhlen lagen. Er sah seinen Bartschatten, das eckige Kinn, die Ringe unter den Augen. Das dunkle Haar mit den roten Strähnen – das alles konnte er erkennen, aber das andere, das der Spiegel zeigte, war viel wuchtiger.
Eine Bemalung.
Jemand hatte auf der Fläche mit Blut einen Skelettschädel hinterlassen...
Aram de Fries reagierte nicht. Er hatte nur Augen für den verdammten Schädel, und er war überzeugt, dass er mit Blut und nicht mit Farbe gemalt worden war.
Plötzlich überkam ihn ein gewaltiges Zittern. Er konnte ohne Hilfe nicht mehr stehen bleiben und musste sich auf dem Waschbecken abstützen.
Der Schädel glotzte ihn an, obwohl das nicht stimmen konnte. Aber es kam ihm so vor. Das Gebilde war auch nicht glatt gezeichnet worden. Mit zitternden Linien und Rundungen, die aussahen, als würden sie jeden Augenblick auslaufen.
Ein offenes Maul. Offene Augen. Eine Nase, die nur angedeutet war. Insgesamt ein widerliches und äußerst hässliches Bild, und er war überzeugt, dass es nicht von ihm stammte. Er war sicherlich nicht als Schlafwandler durch die Nacht gelaufen und ins Bad gegangen, um einen Schädel mit Blut auf den Spiegel zu malen. Außerdem – wo hätte er das Blut hernehmen sollen?
Aram zitterte. Es war ihm unmöglich, den Blick von diesem Gebilde zu
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