Arbeit - Leben - Glueck
Sinnfragen die Geisteswissenschaft zuständig.
|42| Nach dem Start
Die Wahl einer Ausbildung oder eines Studienfaches ist für viele die erste große Lebensentscheidung, die sie weitgehend alleine treffen. Jeder wird versuchen, seine Sache gut zu machen, aber in jedem Ausbildungsbetrieb, an jeder Hochschule, an jeder Universität warten andere Herausforderungen.
Auszubildende kommen sofort nach der Schule mit der Arbeitswelt in Berührung. Sie müssen sich am meisten umstellen. Für Hochschüler ist der Übergang weniger krass, denn sie bleiben unter den Fittichen einer Bildungseinrichtung. Doch auch sie müssen neue Spielregeln lernen. Dabei sind sie jedoch mehr oder weniger sich selbst überlassen: In einigen Institutionen wird man intensiv betreut, in anderen muss man sehen, wie man zurechtkommt. Bei der Umstellung auf die neue Situation helfen drei Dinge: Sich und die Umwelt genau beobachten, zur Selbstkritik fähig sein und bei Bedarf Kurskorrekturen vornehmen.
Eine neue Situation
Das erste Ausbildungsjahr hat begonnen, das erste Semester angefangen. Alles ist anders. Mit den Schulkameraden von früher trifft man sich anfangs vielleicht noch recht häufig, aber irgendwann kaum noch. Man sucht und findet neue Freunde und man muss sich an alles Mögliche gewöhnen. Viele ziehen in eine größere Stadt, andere bleiben zu Hause wohnen, das kommt auf das Temperament an und auf den |43| Geldbeutel. Obwohl es Wohnbeihilfen für Auszubildende gibt oder auch (je nach Arbeitgeber) spezielle Wohnheime für sie, wählen sie ihren Ausbildungsplatz meist so, dass sie zu Hause wohnen bleiben können. Auch zukünftige Studenten bleiben immer öfter daheim, doch nach wie vor sind viele von ihnen kurz nach dem Abitur das erste Mal im Leben auf sich selbst gestellt.
In der Schule kannte man seine Lehrer oft seit Jahren, man hatte einen festen Sitzplatz und neben sich einen guten Freund. Es gab Hausaufgaben, man musste Aufsätze schreiben und schriftlich Fragen beantworten. Darauf gab es Einzelnoten und am Ende des Schuljahrs eine Gesamtnote. All das fällt nun ganz oder teilweise weg, je nachdem, welche Ausbildung oder welchen Studiengang man gewählt hat. Während die Schulbildung möglichst viele Bereiche abdecken sollte, legt man sich mit Ausbildung und Studium auf einen späteren Beruf oder ein bestimmtes Fachgebiet fest. Jeder lernt jetzt das, was er gewählt hat, sehr genau kennen. In vielen Fällen tritt eine erste Ernüchterung ein. Hatte man sich vor seiner Ausbildung zum Werbetexter noch vorgestellt, wie man in schicken Büroräumen mit noch schickeren, interessanten Kollegen seiner Kreativität freien Lauf lässt, stellt man bald fest, dass es ganz anders abläuft: unbezahlte Überstunden, Wochenend- und Feiertagsarbeit, Stress ohne Ende und nach Feierabend das Gefühl, völlig fertig und ausgelaugt zu sein.
Ein weiterer Unterschied besteht in der neuen Struktur des Lernens. Je nachdem, was man gewählt hat, muss man sich auf ganz verschiedene Lernformen einstellen. Eine sehr übersichtliche Struktur haben Berufsausbildungen, Berufsakademien, Fachhochschulen und einige Universitätsstudiengänge, vor allem Jura, Medizin, Pharmazie, Lehramt oder Betriebswirtschaft. Es gibt einen genauen Lehrplan und klar definierte Aufgaben. Oft wird hier jedoch das sture Auswendiglernen von Faktenwissen beklagt. Manch einer sieht darin |44| keinen Sinn und hält es nicht lange durch. Ganz anders die geisteswissenschaftlichen Fächer: Ihr Studium ist nur wenig strukturiert. Das heißt für die Studenten: Sie müssen nicht nur etwas lernen, sondern auch lernen, wie man lernt.
»Lehrjahre sind keine Herrenjahre«
Früher hieß ein Auszubildender Lehrling. Das, was er machte, war eine Lehre und dieses Wort wird auch heute noch verwendet, aber den Spruch »Lehrjahre sind keine Herrenjahre« hört man kaum noch. Er wird höchstens mal im Stillen gedacht, wenn der Auszubildende, der mittlerweile Azubi heißt, mal wieder die Mittagspause überzieht oder den Arbeitsplatz verlässt, weil er keine Lust mehr hatte, dazubleiben.
Viele Unternehmer klagen darüber, dass die Azubis zu wenig elementare Kenntnisse haben und nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Regeln würden nur widerstrebend akzeptiert und immer wieder gebrochen. Als der Spruch »Lehrjahre sind keine Herrenjahre« noch seine Gültigkeit hatte, war das anders. Die Arbeitswelt war autoritär und hierarchisch aufgebaut. Lehrlinge hatten vor allem zu gehorchen. Das
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