Arbeit - Leben - Glueck
ins Ausland, weil sie dort die passenden Arbeitskräfte vorfinden und die Arbeit billiger ist. Man kann sich deshalb auf den Schutz der Qualifikation nicht immer verlassen.
Was ist überhaupt Qualifikation? Ist schon ein Facharbeiter qualifiziert, sofern er sich weiterbildet und bei Bedarf umschulen lässt? Oder muss man auf jeden Fall eine Hochschule besucht haben, um als qualifiziert zu gelten, was auch immer man dort gelernt hat?
Ja, ein Facharbeiter ist qualifiziert, und zwar vor allem dann, wenn er seiner Zeit voraus ist und sein Wissen auf dem neuesten Stand hält. Ein Elektriker etwa, der sich zu |50| Beginn des digitalen Zeitalters im Bereich Elektronik weiterbildete, war damals mit Sicherheit Mangelware und hätte beste berufliche Aussichten gehabt: Er konnte etwas, was andere nicht konnten, denn elektronische Steuerelemente wurden in Maschinen eingebaut, lange bevor alle Arbeitnehmer entsprechend ausgebildet waren. Erst allmählich wurden die Berufe an die neue Technologie angepasst. Der Elektriker heißt jetzt Elektroniker, aus dem Mechaniker ist der Mechatroniker geworden, und es wird immer selbstverständlicher, dass der eine sich auch auf dem Gebiet des anderen auskennt. Bis sich das überall durchgesetzt hat, verfügt jeder Elektriker, der zusätzlich etwas von Elektronik versteht, über eine besondere Qualifikation. Dieses Prinzip lässt sich auf alle Berufsgruppen übertragen.
Akademiker gelten als qualifiziert, auch wenn sie nicht über spezielle Kenntnisse verfügen. Ihnen stehen viele Berufe offen, unabhängig davon, was sie studiert haben. Auch wenn die Arbeitslosenzahlen überall steigen: Ingenieure, Informatiker und Betriebswirte haben gute Berufschancen, aber auch Geisteswissenschaftler, wenn sie flexibel sind und ihre Chancen erkennen. Wenn man keine Spezialkenntnisse hat, dann ist mit Qualifikation vor allem gemeint:
selbstständig arbeiten können, Eigeninitiative entwickeln,
sich schnell in ein Fachgebiet einarbeiten können,
eine gute Allgemeinbildung und angenehme Umgangsformen haben,
gut kommunizieren können,
Fremdsprachen beherrschen, Auslandserfahrung haben,
Verantwortung übernehmen und führen können.
Qualifikation muss immer wieder neu erworben werden, denn Wissen verändert sich. Manches Wissen veraltet und nach einer Weile kann man es vergessen. So muss heute niemand mehr das Farbband einer Schreibmaschine auswechseln |51| können oder die Steuerbefehle für das erste Betriebssystem von Microsoft beherrschen. Anderes Wissen muss immer wieder aufpoliert werden, um seinen Wert zu behalten. Es reicht nicht aus, dass ein Arzt einmal lernt, wie er einen Patienten mit Herzproblemen behandeln kann, denn die Erkenntnisse über die beste Therapie ändern sich schnell. Das Grundwissen ist da, aber es muss ständig erweitert werden.
Je höher die Qualifikation, umso besser? Trotz aller Krisenstimmung erwarten die Experten der Berliner Prognos AG, dass im Jahr 2020 wegen des Geburtenrückgangs in Deutschland ein Mangel an Fachkräften aller Art herrschen wird, auch wenn die Arbeitslosigkeit weiter steigt und immer mehr Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden. Ausführlicher kommt das Problem der Arbeitslosigkeit im Kapitel »Ohne Arbeit leben« zur Sprache.
Doch auch unter denen, die Arbeit haben, kursiert das Schreckgespenst der so genannten Überqualifikation. Danach gibt es ganz einfach Menschen, die scheitern, weil sie zu gescheit sind. Firmen, so heißt es, seien gar nicht so begeistert, wenn sich qualifizierte Kräfte auf Stellen bewerben, für die sie »zu gut« ausgebildet sind. Das Problem liegt aber nicht bei den Bewerbern. In Deutschland tragen vor allem folgende Umstände zum Problem der Überqualifikation bei:
Firmen stellen für die simpelsten Tätigkeiten oft hohe Anforderungen und sind damit ein Teil des Problems. Sie fördern bei der Einstellung die Qualifikation von oben nach unten. Viele Qualifizierte, die einen Job unterhalb ihrer Möglichkeiten annehmen, erhalten auch später oft keine Chance, aufzusteigen und eine Arbeit zu tun, die ihrem Niveau besser entspricht.
»Learning by doing«, also Qualifikation von unten nach oben, wird in Deutschland kaum praktiziert. Viele Bewerber |52| könnten sich in ein für sie anspruchsvolles Aufgabengebiet einarbeiten, werden aber nicht entsprechend gefordert.
Überqualifikation ist oft eine Umschreibung für »zu teuer«. In Deutschland verdient man mit steigenden Berufsjahren immer mehr. Dieses System treibt vor
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