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Arbeit und Struktur - Der Blog

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Titel: Arbeit und Struktur - Der Blog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Herrndorf
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Georg von der Vring aufgesagt: An der Weser, Unterweser wirst du wieder sein wie einst. Durch Geschilf und Ufergräser dringt die Flut herein, wie einst.

    7.8. 2011 10:39

    Heute früh Regen, leerer Strand, Schwimmen. Arbeitsunfähig. Angst vor erneutem Anfall, fühle mich dünn in eine etwas papierene Welt hinausgebaut.

    Hätte man mir vorgestern Zettel und Stift in die Hand drücken können? Motorisch war ja alles in Ordnung. Ist aber niemand drauf gekommen, auch ich nicht.

    Dieser Scherbenhaufen im Innern bei gleichzeitiger Unfähigkeit zu sprechen, das ist nicht meine Welt. Auch wenn man da möglicherweise noch zwei Gemüsestufen über dem Apalliker rangiert, das geht nicht. Menschliches Leben endet, wo die Kommunikation endet, und das darf nie passieren. Das darf nie ein Zustand sein. Das ist meine größte Angst.

    Meine Mutter hat einen riesigen Grashüpfer in einer Schale gefangen. Das graue Haus da rechts neigt noch immer zur Unsichtbarkeit. Grün und rot sind stabiler.

    9.8. 2011 11:00

    Häuser, Bäume, Landschaften. Lange nachgedacht, wie man das formulieren soll. Die Durchscheinigkeit der Dinge und das durch die Dinge durchscheinende Nichts. So ungefähr.

    Kein ganz neues Gefühl, aber eingekleidet in neue optische Varianten.

    Keine Arbeit.

    Kurzer Besuch beim Neurologen der Insel. Spricht von Narben und elektrischen Blitzen, stellt sonst nichts fest. Levetiracetam, vier Tage morgens eine, dann morgens und abends eine, dann in Berlin zum Arzt. Und schwimmen Sie vielleicht nicht allzu weit hinaus.

    9.8. 2011 16:32

    Schwerer Regen in den Kiefern. Keine Wellen.

    10.8. 2011 11:56

    Arbeite Passigs Kürzungen ein, fällt unendlich schwer.

    Weiter starke Unsicherheit, als sei der Schädel ein Sieb und scheine Licht herein und hinaus.

    11.8. 2011 7:38

    Kalt. Regen. Gebadet.

    11.8. 2011 10:29

    Oft weiß ich nicht, wie es mir geht, und frage mich es auch nicht. Aber an der Geschwindigkeit, mit der die Zeit vergeht, merke ich es. Es ist seit drei Minuten 10:29, das bedeutet konzentrierte Arbeit.

    12.8. 2011 19:30

    Der zwölfte August in meinem Kalender ist eingekastet, grabsteinförmig, mein Todestag, errechnet in der Woche nach der OP aufgrund der ersten von Passig runtergeladenen Statistiken, siebzehn Komma irgendwas Monate. Der Nachmittag vergeht mit einem langen Strandspaziergang im Regen nach Sellin runter und zweimaligem Baden im 15 Grad kalten Wasser. Herrliche Wellen, herrlich alles.

    16.8. 2011 10:02

    Seit vier Tagen in Berlin, immer noch nicht beim Arzt gewesen. Aber langsam Beruhigung. Fahre schon wieder auf der Torstraße Rad, schwimme im Plötzensee an der Nichtschwimmerleine lang, vielleicht kauf ich noch einen Helm.

    17.8. 2011 10:21

    Unter der Dusche gepinkelt hat sicher jeder schon mal, unter der Dusche Zähne geputzt die meisten. Aber beim Duschen Tee getrunken? Auch schön.

    17.8. 2011 14:00

    Besuch bei Dr. Vier. Ein Anfall kann Zeichen einer Verschlechterung sein, kann aber auch einfach ein Anfall sein. Wir belügen uns gegenseitig. Ein guter Arzt. Tagesdosis hochgesetzt auf 1 Gramm.

    17.8. 2011 19:30

    Langes Telefonat mit G. Vorboten und Auslöser, mit und ohne Aura. Bei ihr ist es ja nur die Hand. Bestattung, Gefühle der Angehörigen, die Frage, was übrigbleibt in Gedanken und wie lange. Die Seele (sie hat eine, ich nicht), das Zeitfenster, in dem man lebt und plant (bei mir zuletzt von einem Tag zusammengeschnurrt auf irgendwas zwischen zwei Stunden und fünf Minuten, bei ihr etwas länger). Die Unfaßbarkeit, in genau dieser Sekunde zu leben, während andere nicht leben. Gedanken beim Schuhekauf und die Wette, wer auf des anderen Grab pinkelt.

    Seltsam, mit jemandem zu sprechen, der dasselbe weiß wie man selbst.

    Man wird nicht weise, man kommt der Wahrheit nicht näher als jeder. Aber in jeder Minute beim Tod zu sein, generiert eine eigene Form von Erfahrungswissen.

    18.8. 2011 18:57

    Am Plötzensee im Bootshaus. Schön könnte es sein, und schön könnte man arbeiten, aber nicht heute. Erst ein Rentnerehepaar, das sich über das Topthema der Menschheit verständigt, das Sichtbare: “Da hat er was in seinem Rucksack, glaub ich, der hat was in seinem Rucksack, ja, da ist was drin, sieht ganz schön schwer aus, ist schwer, ist bestimmt was drin, jetzt geht er die Treppe rauf, siehst du, er geht die Treppe rauf.”

    Die Frau schwingt Restflüssigkeit aus ihrem Bierglas, rollt es eine Minute lang in ein Handtuch, und sie räumen das Feld für zwei Freundinnen,

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