Arbeit und Struktur - Der Blog
letzten zwei Jahrzehnten, wenn die Sache der Aufklärung jetzt schon in der Frankfurter Rundschau mit Füßen getreten wird.
29.6. 2012 21:00
Morgens von der Waage seitwärts in den Umzugskarton gekippt, neben den Stuhl gesetzt. Linke Hand findet ihren Platz auf der Tastatur nicht. Pappschablone auf den Rechner geklebt, um dem Handballen Halt zu geben, vergeblich. Dann Hand am Tisch festgeklebt, ohne daß es hilft. Linker Fuß rutscht vom Fahrradpedal. Ausflug zum Tegeler See. C. verbietet Rausschwimmen. Gewitter.
30.6. 2012 16:30
Passanten am Nordufer gefragt, ob sie das auch röchen, ein entsetzlicher Gestank die ganze Straße runter. Nein, rochen sie nicht … obwohl, manchmal rieche es hier schon ein bißchen … hm … nach Fäkalien.
2.7. 2012 15:45
Auf dem Boden sitzend versucht, meine Socken anzuziehen. Die linke Hand hängt in der Luft, die rechte weiß nicht, wo der linke Fuß ist. Sehen kann ich ihn auch nicht, schließlich finde ich ihn unter meinem Schenkel.
3.7. 2012 13:50
MRT vorverlegt, Besuch C.
3.7 2012. 19:29
Links jetzt, als ob jemand die Nervenstränge büschelweise aus den Buchsen zieht.
4.7. 2012 7:30
Befund wie erwartet, Rezidiv. Ödem, Dexamethason. Notaufnahme in der Neurochirurgie im Virchow, freundlicher Empfang, alte Bekannte.
Konferenz: Tumor näher am Balken, aber operabel.
Freue mich auf die OP, Hauptsache Entscheidung.
6.7. 2012 18:30
OP für sieben Uhr eingetaktet, kein Beruhigungsmittel, lieber wach, vier Stunden gewartet, dann sechs Stunden operiert. “Ist diese Scheißrealität immer noch da?” wollte ich eigentlich beim Erwachen zu C. sagen, sage aber nur, daß ich es sagen wollte. C. gibt mir Wasser. Ich sei halbseitig gelähmt, hat man ihr mitgeteilt, und der Patient liege aufgedeckt, mahnt die Ärztin, er möge sich bedecken (Penis). Der Patient hat allerdings gerade andere Probleme und macht neurologische Tests zur Funkion der linken Seite: Kraft da, Automatismen eingeschränkt, Zustand wie vor der OP, keine Lähmung.
Vom Aufwachraum zur Intensiv. Gewitterschwüle, ich rotiere die Nacht in schweißnassen Laken. Schweiß und Pisse, wie sich am Morgen herausstellt, der Katheter ist ausgelaufen.
7.7. 2012 11:00
Kontroll-MRT okay, aber das die Ausfälle verursachende Ödem möglicherweise durch krebsdurchsetztes Narbengewebe hinter dem entfernten Rezidiv verursacht, an das nicht näher heranzukommen ist.
7.7. 2012 18:30
C. wäscht mich. Erste Schreibversuche.
7.7. 2012 19:20
Kaum beherrschbares Down angesichts der Tatsache, daß ich mit links den Strohhalm nicht mehr in den Mund stecken kann, und beim Folgegedanken, bei Fortschreiten des Kontrollverlusts wahrscheinlich nicht mehr imstande zu sein –
Bitte C. am Handy, den ohnehin im Anmarsch befindlichen Cornelius zu bitten, noch schneller zu mir zu eilen. Er kommt, sofort Entspannung. Unterhaltung über Mosebach, Nina Hoss, Barbara, Yella, Petzold, Lentz, Villa Lysis, George, die Karlauf-Biographie, die so gut sein soll, das Forum, Klagenfurt, Sascha, Passig und ihr neues Buch, das allen Ernstes vom Internet handelt.
8.7. 2012 9:11
Weiter schwül, ganze Nacht geschwitzt und herumgewälzt, dazu im Halbschlaf unablässig Cornelius’ Stimme in meinem Kopf, die mein Erleben in der bekannten Art noch einmal für mich zusammenfaßt und verdoppelt – alles naß hier, aha, linke Seite komplett naß, richtig naß, heißt unignorierbar, also Körper besser mal umdrehen, wobei auch gefährlich, gibt dann Probleme, weil später andere Seite naß, also vielleicht nicht zu früh drehen, am besten immer eine trockene Seite für Notfälle, und dabei gleich noch mal die Decke mit links nach rechts rübergezogen, quasi Funktionsprüfung, muß beübt werden, geht doch, das geht doch gut, das üben wir doch gleich nochmal, sagt Cornelius, und so Stunden schlaflos bis zum Morgen. Daß es ausgerechnet Cornelius’ Stimme ist, wundert mich nicht, aber warum es mir nicht gelingt, auf meine eigene gewöhnlich alles halblaut mitredende Selbstgesprächsstimme zurück umzustellen, weiß ich nicht.
9.7. 2012 14:08
Besuch Julia.
9.7. 2012 18:00
Mit der Study Nurse Gespräch über Weiterbehandlung. Antrag bei der AOK auf das in Deutschland noch nicht zugelassene Avastin, dazu Irinotecan, danach hebt das Wort austherapiert das krause Haupt. Manche hält Avastin ein paar Wochen oder Monate stabil, manche ein Jahr, sogar zwei hat man hier schon erzielt. Dauerübelkeit hauptsächlich durch
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