Arbeit: Warum unser Glück von ihr abhängt und wie sie uns krank macht (German Edition)
Wer sich von seinen Vorgesetzten nicht wertgeschätzt oder unterstützt fühlt (dies sind 41 % aller Beschäftigten), hat – im Vergleich zu Arbeitnehmern, die Unterstützung vonseiten ihrer Vorgesetzten erfahren – ein Mehrfaches an körperlichen und psychovegetativen Beschwerden.
Das »Effort-Reward«-Stressmodell
Ein drittes, wissenschaftlich besonders gut validiertes Modell stammt vom Schweizer Soziologen Johannes Siegrist, langjähriger Inhaber des Lehrstuhls für Medizinsoziologie an der Universität Düsseldorf. Er erkannte eine Dysbalance zwischen Verausgabung und Anerkennung am Arbeitsplatz als Ursache für Beeinträchtigungen der Gesundheit. Als Verausgabung (»Effort«) erfasst ein von Siegrist entwickelter Fragebogen 239 das Arbeitsaufkommen, Arbeitsunterbrechungen, Zwang zu Überstunden und körperliche Verausgabung. Als Merkmale von Anerkennung (»Reward«) zählen Gerechtigkeit am Arbeitsplatz, Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegschancen, das Gehalt und persönliche Wertschätzung durch Kollegen und Vorgesetzte.
Johannes Siegrist hat seinen »Effort-Reward-Imbalance« (ERI)-Fragebogen anhand großer Stichproben von sowohl gesunden als auch gesundheitlich beeinträchtigten Erwerbstätigen normiert. So konnte er einen kritischen Grenzwert für eine gesundheitlich relevante Dysbalance zwischen Verausgabung und Anerkennung definieren. Wer sich am Arbeitsplatz – auf der Basis des Fragebogens – als Erwerbstätige/r jenseits dieses Grenzwertes befindet, unterliegt dem, was Siegrist als »Gratifikationskrise« bezeichnet hat. Diese Personen tragen, wie sich dann zeigte, tatsächlich ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Gesunde Arbeit gemäß dem von Siegrist entwickelten Modell setzt eine Balance von Verausgabung einerseits und materieller sowie nicht materieller Anerkennung andererseits voraus.
Burn-out versus Depression: Unterschiede und Überschneidungen
Psychiatrische Diagnosen beschreiben typische Störungs bilder, die sich idealerweise nach ihren jeweiligen Ursachen, ihren neurobiologischen Korrelaten, ihren Symptomen und nach ihrem Verlauf voneinander unterscheiden lassen. Eine schwere Depression (»Major Depressive Disorder«) liegt vereinbarungsgemäß dann vor, wenn über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen eine depressive Verstimmung oder ein Interesseverlust und zusätzlich mindestens vier der folgenden Symptome vorhanden sind: deutlicher Gewichtsverlust oder deutliche Gewichtszunahme, Schlaflosigkeit oder deutlich vermehrter Schlaf, psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung (oft tritt beides kombiniert auf), Müdigkeit, ein Gefühl der Wertlosigkeit oder Schuld, vermindertes geistiges Leistungsvermögen und Gedanken an den Tod. Als unterschwellige Depression (»Minor Depression«) werden relevante depressive Symptome bezeichnet, ohne die Kriterien einer schweren Depression voll zu erfüllen. Ein wichtiges Kriterium der Depression, mit dem sie sich von der Trauer unterscheiden lässt, ist der Verlust des Selbstwertgefühls.
Bereits aus der gegebenen Schilderung der Diagnosekriterien für eine Depression wird deutlich, dass es zwischen depressiven Störungsbildern und dem Burn-out-Syndrom zwar Überschneidungen, aber auch deutliche Unterschiede gibt. Im Gegensatz zu den Merkmalen eines Burn-out-Syndroms sind die im Zusammenhang mit einer Depression auftretenden Symptome definitionsgemäß unabhängig vom Arbeitskontext.
Aber auch bei den Merkmalen selbst finden sich wesent liche Unterschiede: Schuldgefühle, Selbstwertverlust und Lebensüberdruss sind typische Kennzeichen einer Depression, aber keine typischen Burn-out-Merkmale. Umgekehrt sind Zynismus gegenüber Kunden oder Klienten, eine Abneigung oder eine emotional erlebte innere Distanzierung gegenüber der eigenen Arbeit typische Merkmale eines Burn-out-Syndroms, nicht aber Kennzeichen einer Depression (im Gegenteil, sogar schwer Depressive äußern häufig, sie könnten zum Beispiel nicht in der Klinik verweilen, denn sie würden am Arbeitsplatz oder in der Familie dringend gebraucht). Was die beiden Störungsbilder jedoch miteinander verbindet, ist das Gefühl der emotionalen Erschöpfung. So kann nicht überraschen, dass Studien, auf die nachfolgend eingegangen werden soll und die den Zusammenhang zwischen Burn-out und Depression gezielt analysiert haben, beides finden: Gemeinsames und Trennendes.
Eine methodisch hervorragend gemachte, an über 3 200 Beschäftigten durchgeführte Untersuchung zeigte, dass Erwerbstätige, die
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