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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verbrechen lohnt sich
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machte sich auf den Rückweg zum Picadilly. Beinahe wäre er an ihr vorbeigegangen, doch als ihm die zarte Farbe ihrer Wangen und ihre bezaubernde Figur auffiel, verliebte er sich auch schon in sie. Er blieb stehen, bewunderte sie und hatte nur eine Befürchtung: dass sie sich als zu teuer erwies.
    Er betrat die Galerie, um sie sich aus nächster Nähe anzusehen. Sie war zierlich, zart und exquisit.
»Wie viel?«, erkundigte er sich leise bei der Frau, die hinter dem Glastisch saß.
»Der Vuillard?«, fragte sie.
John nickte.
»1200 Pfund.«
Wie in einem Tagtraum zog er sein Scheckbuch hervor und trug die Summe ein, die sein Konto nahe an den Nullstand bringen würde.
Den Vuillard hängte er dem Dunstan gegenüber, und damit begann seine Liebe zu diversen gemalten Damen aus allen Teilen der Welt. Doch John gestand seiner Frau nie, wie viel diese gerahmten Geliebten ihn kosteten.
    Obwohl das eine oder andere seiner Bilder bei irgendwelchen obskuren Verkaufsausstellungen zu finden war, bekam Robin mehrere Jahre lang keine Chance auf eine neuerliche Vernissage. Was Künstler angeht, deren Bilder unverkauft bleiben, haben Galeristen ein taubes Ohr, auch bei dem Hinweis, dass die betreffenden Künstler nach ihrem Tod berühmt werden könnten – hauptsächlich, weil die Galeristen bis dahin vermutlich ebenfalls das Zeitliche gesegnet hatten.
    Als schließlich doch eine Einladung zu Robins nächster Vernissage eintraf, hatte John keine Wahl, als an der Eröffnung teilzunehmen.
    John hatte es bei Reynolds & Company kürzlich zu einem der Hauptaktionäre gebracht. Da in den Siebzigerjahren der Markt für Personenkraftwagen unablässig wuchs, wuchs auch der Bedarf an Reifen. Und die dadurch steigenden Umsätze gestatteten es John, seinem neuen Hobby als Amateurkunstsammler zu frönen. Er hatte seiner Sammlung in letzter Zeit einen Bonnard, einen Dufy, einen Camoin und einen Luce hinzugefügt. Wie zu Anfang hörte er auch jetzt noch auf die Sachverständigen, verließ sich schließlich aber doch auf sein Auge.
    John stieg in Euston aus dem Zug und nannte dem vordersten Taxifahrer in der langen Schlange die Adresse, zu der er gebracht werden wollte. Der Mann kratzte sich am Kopf, bevor er Richtung East End fuhr.
    Als John die Galerie betrat, stürmte Robin ihm mit den Worten entgegen: »Und hier ist jemand, der nie an meinem Talent gezweifelt hat.«
    John lächelte seinen Bruder an, der ihm ein Glas Weißwein anbot. Dann blickte er sich in der kleinen Galerie um. Die Leute, die allein oder in Gruppen herumstanden, schienen mehr an dem mittelmäßigen Wein interessiert zu sein als an den mittelmäßigen Bildern. Wann würde sein Bruder endlich begreifen, dass andere unbekannte Künstler mit ihrem Gefolge bei einer Vernissage nichts zu suchen hatten?
    Robin nahm John am Arm, führte ihn von Grüppchen zu Grüppchen und stellte ihn Leuten vor, die sich nicht einmal einen der Bilderrahmen leisten könnten, geschweige denn ein Gemälde.
    Je länger der Abend sich dahinzog, desto mehr Mitleid empfand John für seinen Bruder, und diesmal tappte er willig in die Dinnerfalle und bezahlte für zwölf von Robins Begleitern, einschließlich dem Galeriebesitzer, dessen Gewinn an diesem Abend nach Johns Ansicht für kaum mehr als ein Dreigängemenü reichen würde.
    »Wir haben bereits zwei Bilder verkauft, und viele Besucher haben Interesse an anderen gezeigt«, sagte der Galeriebesitzer, als hätte er Johns Gedanken gelesen. »Leider haben die Kritiker Robins Werke nie ganz verstanden, wie sicher niemandem mehr bewusst ist als Ihnen.«
    John blickte betrübt drein, während die Freunde seines Bruders Bemerkungen über Robin machten – dass er »nie angemessen gewürdigt« worden sei; ein »verkanntes Genie«, das man »schon vor Jahren hätte einladen müssen, Mitglied der Royal Academy zu werden«. Bei diesen Worten erhob Robin sich etwas wacklig und rief: »Das kommt schon noch! Aber dann werde ich es Henry Moore und David Hockney gleichtun! Wenn die Einladung kommt, lehne ich sie ab!« Ein neuerlicher Begeisterungssturm folgte, auf den noch mehr von Johns Wein getrunken wurde.
    Um dreiundzwanzig Uhr entschuldigte sich John mit der Ausrede, er habe am frühen Morgen eine Besprechung. Er bezahlte die Rechnung und ließ sich zum Savoy bringen. Auf dem Rücksitz des Taxis akzeptierte er endlich, was er schon lange vermutet hatte: dass sein Bruder schlichtweg kein Talent hatte.
    Es dauerte ein paar Jahre, bis John wieder von Robin hörte.

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