Archer Jeffrey
müssen.
Binnen einer Stunde kam der Privatsekretär mit der Nachricht zurück, die sein Chef gefordert hatte. Rodrigues, so hatte er festgestellt, war in Nigeria, um sich an einer Ausschreibung für den Bau eines neuen Hafens in Lagos zu beteiligen, und hatte offensichtlich nicht das geringste mit der neuen Hauptstadt zu schaffen; tatsächlich versuchte er immer noch, ein Treffen mit dem Präsidenten zu arrangieren.
„Welcher Minister ist für die Häfen zuständig und wann bin ich mit ihm verabredet?“ fragte de Silveira. Der Sekretär vertiefte sich in den Terminkalender.
„Der Verkehrsminister“, sagte er. „Sie sind bei ihm am Donnerstag um neun Uhr morgens angesagt.“ Das nigerianische Protokoll hatte ein Vier-Tage-Programm für de Silveira ausgearbeitet, das Besuche bei jedem Minister, der mit dem Hauptstadt-Projekt zu tun hatte, vorsah. „Es ist Ihr letzter Termin vor der Abschlußbesprechung mit dem Präsidenten und Ihrem Abflug nach Paris.“
„Ausgezeichnet. Erinnern Sie mich an dieses Gespräch fünf Minuten, bevor ich den Minister treffe, und dann nochmals, wenn ich mit dem Präsidenten rede.“
Der Sekretär machte sich eine entsprechende Notiz und ging. Eduardo saß allein in seiner Suite und las die Berichte seiner
Fachleute über das Hauptstadt-Projekt durch. Einige Leute seines Teams zeigten bereits Anzeichen von Nervosität. Eine spezielle Sorge, die stets bei umfangreichen Bauprojekten auftauchte, betraf die Zahlungsfähigkeit des Auftraggebers, und zwar die Zahlungsfähigkeit zum vereinbarten Zeitpunkt. Mangelnde Solvenz war der schnellste Weg in den Bankrott, doch seit der Entdeckung von Ölvorkommen in Nigeria schien kein Mangel an Einnahmen und gewiß kein Mangel an Leuten zu herrschen, die bereit waren, das Geld im Namen der Regierung auszugeben. Diese Sorgen bedrückten de Silveira nicht, da er stets auf einer substantiellen Vorauszahlung bestand; andernfalls würden weder er noch seine Leute sich auch nur einen Zentimeter aus Brasilien fortbewegen. Allerdings waren diesmal, wegen des gewaltigen Umfangs des Auftrages, die Umstände etwas ungewöhnlich. Eduardo erkannte, daß es seinem internationalen Ansehen ziemlich abträglich wäre, wenn er diese Aufgabe in Angriff nähme und dann – vor aller Augen – nicht zu Ende führte. Er las die Berichte nochmals während eines stillen Abendessens in seinem Zimmer und ging früh zu Bett, nachdem er eine Stunde vergeblich versucht hatte, seine Frau telefonisch zu erreichen.
De Silveiras erster Termin am nächsten Morgen war ein Treffen mit dem Generaldirektor der Central Bank of Nigeria. Eduardo trug einen frischgebügelten Anzug, ein frisches Hemd und auf Hochglanz polierte Schuhe: vier Tage lang würde ihn niemand zweimal in denselben Kleidern sehen. Um acht Uhr fünfundvierzig wurde leise an die Tür seiner Suite geklopft; der Sekretär öffnete. Oberst Usman stand stramm und meldete sich zur Stelle, um Eduardo zur Bank zu eskortieren. Als sie das Hotel verließen, sah Eduardo neuerlich Manuel Rodrigues, der noch dieselben Jeans und dasselbe zerknitterte T-Shirt trug und vermutlich immer noch an demselben Kaugummi kaute, wie er gerade vor ihm in einen BMW stieg. De Silveiras finstere Miene beim Anblick des sich entfernenden BMWs erhellte sich erst wieder, als ihm sein Besuch bei dem für die Häfen zuständigen Minister am Donnerstagmorgen und der darauffolgende Termin beim Präsidenten einfielen.
Der Generaldirektor der Central Bank of Nigeria war gewöhnt, Zahlungsmodalitäten und Terminvereinbarungen selbst festzusetzen. Noch nie war ihm von jemandem gesagt worden, daß er, sollte sich die Zahlung um mehr als sieben Tage verzögern, den Vertrag als null und nichtig anzusehen habe. Der Minister hätte sich wohl eingeschaltet, wäre Abuja nicht das Lieblingsprojekt des Präsidenten gewesen. Nachdem de Silveira diesen Punkt geklärt hatte, zog er noch Erkundigungen über die Reserven der Bank, langfristige Darlehen, überseeische Verpflichtungen und geschätzte Einkünfte aus der Erdölproduktion in den nächsten fünf Jahren ein. Er ließ den Generaldirektor in einem Zustand zurück, den man nur als puddingartig bezeichnen konnte. Feuchtglänzend und zitternd. Eduardos nächster Termin war ein unumgänglicher Höflichkeitsbesuch beim brasilianischen Botschafter zum Mittagessen. Er haßte dieses Zeremoniell, da er der Ansicht war, Botschaften seien nur für Cocktailpartys und inhaltsloses Banalitäten-Geschwätz gut, und für
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