Archer Jeffrey
schuldete als einen Milchshake. Er war mit dem Angebot der Versicherungsgesellschaft, das er für angemessen hielt, zufrieden, doch Osborne schlug ihm vor, eine größere Summe zu verlangen und ihm von der Differenz einen Prozentsatz zu überlassen. Abel, dem jede unehrliche Handlung fernlag, sah Osborne danach mit anderen Augen an; wenn Osborne so bereitwillig seine eigene Firma betrog, würde er auch Abel hinters Licht führen, wann immer er Lust hatte.
Zu seiner Überraschung erhielt Abel im Frühling 1932 einen Brief von Melanie Leroy, der freundlicher gehalten war, als sie selbst sich je gezeigt hatte. Er fühlte sich geschmeichelt, ja er war sogar ein wenig aufgeregt und rief sie an, um ein Dinner im Stevens zu vereinbaren, ein Entschluß, den er bereute, als sie den Speisesaal betraten, denn dort stand nichtsahnend, müde und verletzlich Zaphia. Melanie dagegen schaute hinreißend aus in einem blaßgrünen Kleid, das sehr genau zeigte, wie sie ohne dasselbe aussehen würde. Ihre Augen schienen grüner und verführerischer denn je.
»Ich freue mich, daß Sie so gut aussehen, Abel«, bemerkte sie, während sie einen Tisch in der Mitte des Saales wählte, »und natürlich weiß jeder, wie phantastisch Sie die Richmond-Gruppe betreuen.«
»Die Baron-Gruppe«, sagte Abel.
Sie wurde ein wenig rot. »Ich wußte nicht, daß Sie den Namen geändert haben.«
»Ja, letztes Jahr«, log Abel. Tatsächlich hatte er die Namensänderung in diesem Moment beschlossen. Warum hatte er nicht schon früher daran gedacht?
»Ein guter Name«, sagte Melanie lächelnd.
Zaphia stellte die Pilzsuppe mit einigem Nachdruck vor Melanie hin
- für Abel sprach es Bände. Fast wäre die Suppe übergeschwappt und auf das blaßgrüne Kleid gespritzt.
»Arbeiten sie nicht im Augenblick?« erkundigte sich Abel, und schrieb das Wort Baron-Gruppe auf die Rückseite der Speisekarte.
»Nicht im Moment, aber die Lage bessert sich langsam. In dieser Stadt muß eine Frau mit einem Philosophiediplom, herumsitzen und warten, bis jeder Mann angestellt ist, bevor sie auf einen Job hoffen darf.«
»Wenn Sie für die Baron-Gruppe arbeiten wollen«, sagte Abel und betonte den Namen ein wenig, »müssen Sie es mich nur wissen lassen.«
»Nein, nein«, wehrte Melanie ab. »Vielen Dank.«
Sie wechselte rasch das Thema und plauderte von Musik und Theater. Sich mit ihr zu unterhalten, war eine ungewohnte und amüsante Herausforderung für Abel; sie zog ihn ein wenig auf, aber mit Takt und Intelligenz. Er fühlte sich wohler in ihrer Gesellschaft als je zuvor. Das Dinner zog sich bis nach elf hin, und als alle, einschließlich Zaphia, mit verdächtig roten Augen den Speisesaal verlassen hatten, fuhr er Melanie zu ihrer Wohnung. Diesmal lud sie ihn auf einen Drink ein. Er saß an einem Sofaende, während sie ihm verbotenen Whisky einschenkte und eine Grammophonplatte auflegte.
»Ich kann nicht lang bleiben«, sagte Abel. »Morgen gibt es viel zu tun.«
»Das sollte eigentlich ich sagen, Abel. Laufen Sie nicht gleich wieder weg, dieser Abend war so gemütlich - genau wie in alten Zeiten.«
Sie setzte sich neben ihn. Das Kleid war so kurz, daß es die Knie sehen ließ. Nicht ganz wie in alten Zeiten, dachte er. Unglaubliche Beine. Er machte keinen Versuch, zu widerstehen, als sie näher rückte. Und dann stellte er fest, daß er sie küßte - oder küßte sie ihn? Seine Hände wanderte zu den herrlichen Beinen und Brüsten; diesmal wehrte sie sich nicht. Schließlich nahm sie ihn an der Hand und führte ihn ins Schlafzimmer, schlug ordentlich die Decke zurück, wandte sich ihm zu und bat ihn, den Reißverschluß ihres Kleides zu öffnen. Abel gehorchte nervös und ungläubig und löschte das Licht, bevor er sich auszog. Es fiel ihm leicht, Joyces sorgfältige Erziehung in die Praxis umzusetzen. Ohne Zweifel fehlte es auch Melanie nicht an Erfahrung; Abel hatte die Liebe noch nie so sehr genossen und sank nachher in einen tiefen befriedigten Schlaf.
Am Morgen bereitete Melanie ein Frühstück und kümmerte sich rührend um ihn, bis er das Haus verließ.
»Ich werde die Baron-Gruppe mit neu erwachtem Interesse beobachten«, sagte sie. »Nicht, daß jemand an ihrem Erfolg zweifeln würde!«
»Danke«, sagte Abel, »für das Frühstück und eine denkwürdige Nacht.«
»Ich hatte gehofft, wir würden uns bald einmal wiedersehen.«
»Das wäre schön«, sagte Abel.
Sie küßte ihn, wie eine Frau, deren Mann ins Büro geht, auf beide Wangen.
»Ich
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