Archer Jeffrey
»Sandra Mitchell? Ist sie da draußen?«
»Aber natürlich«, erwiderte Fletcher. »Und sie würde nur zu
gern ein Interview mit Ihnen führen.«
»Glauben Sie, dass sie an mir interessiert ist, Mr Davenport?« »Sie ist nicht den ganzen Weg gekommen, um mit jemand
anderem zu reden«, meinte Fletcher.
»Werden Sie mir dabei zur Seite stehen?«, fragte Bates. »Aber sicher, Billy. Sie wissen doch, wie ich zur
Waffenkontrolle stehe. Als wir uns das letzte Mal begegneten,
sagten Sie mir, dass Sie alle meine Reden zu diesem Thema
kennen.«
»Ja, das tue ich, und was hat mir das geholfen?«, fragte Billy.
Er nahm den Arm von Mary Hudsons Schulter und ging
langsam auf Fletcher zu, die Waffe direkt auf ihn gerichtet. »In
Wirklichkeit wiederholen Sie doch nur die Worte, die der
Polizeichef Ihnen aufgetragen hat.«
Fletcher krallte sich in die Seiten des Pults, wendete den Blick
nicht von Billy ab. Wenn er es riskieren wollte, dann musste er
Billy so nahe wie möglich an sich heranlassen. Er beugte sich
leicht nach vorn, während er immer noch den Deckel des Pultes
festhielt. Das Telefon neben Miss Hudson begann zu klingeln.
Billy war jetzt nur noch einen Schritt entfernt, aber das Klingeln
ließ ihn für den Bruchteil einer Sekunde den Kopf wenden. Das
gab Fletcher die Chance, den Deckel des Pults in einer
plötzlichen Bewegung hochzuklappen und ihn gegen Billys
rechte Hand zu knallen. Billy verlor kurzzeitig das
Gleichgewicht. Im Stolpern ließ er die Waffe fallen. Sie sahen
beide zu, wie sie über den Boden flog und nur wenige Zentimeter von Miss Hudson entfernt zum Liegen kam. Die Kinder schrien auf, als Miss Hudson sich auf die Knie fallen
ließ, die Waffe packte und sie direkt auf Billy richtete. Billy richtete sich langsam auf und ging auf sie zu, während
sie auf dem Boden kniete und die Waffe auf seine Brust richtete.
»Sie werden doch nicht abdrücken wollen, oder, Miss Hudson?« Mit jedem Schritt, den Billy auf sie zuging, zitterte Miss
Hudson stärker. Billy war nur noch dreißig Zentimeter von ihr
entfernt, als sie die Augen schloss und den Abzug drückte. Man
hörte ein Klicken. Billy sah auf, lächelte und sagte: »Keine
Kugeln, Miss Hudson. Ich wollte nie jemand töten. Ich wollte
nur, dass man mir zur Abwechslung einmal zuhört.«
Fletcher glitt hinter dem Pult hervor, rannte zur Tür und riss
sie auf.
»Raus, raus«, brüllte er und machte mit der rechten Hand eine
ausholende Bewegung in Richtung der entsetzten Kinder. Ein
großes Mädchen mit langen Zöpfen stand auf, rannte auf die Tür
zu und hinaus auf den Flur. Zwei weitere Kinder folgten dicht
hinter ihr. Fletcher meinte, eine piepsende Stimme »Weiter,
weiter!« rufen zu hören, während er die Tür aufhielt. Alle
Kinder bis auf eines rannten auf ihn zu und verschwanden
innerhalb weniger Augenblicke aus seinem Sichtfeld. Fletcher
starrte in die Ecke auf das einzige verbliebene Kind. Der Junge
stand langsam auf und ging nach vorn zur Tafel. Er beugte sich
vor, nahm Miss Hudson an der Hand und führte sie zur Tür,
ohne dabei auf Billy zu schauen. Als er die offene Tür erreichte,
sagte er: »Danke, Herr Senator« und geleitete seine Lehrerin in
den Flur.
* Lauter Jubel brauste auf, als das große Mädchen mit den langen schwarzen Zöpfen durch die Schultür gerannt kam. Scheinwerfer richteten sich auf sie und sie legte rasch eine Hand über die Augen, war unfähig, die Menschen, die ihr zujubelten, zu sehen. Eine Mutter brach aus der Menge aus, rannte über den Schulhof und nahm das Mädchen in die Arme. Zwei Jungen folgten dicht hinter der Kleinen. Nat legte einen Arm um Su Lings Schulter, hielt verzweifelt nach Luke Ausschau. Einige Augenblicke später kam eine größere Gruppe aus der Tür gerannt. Su Ling konnte die Tränen nicht zurückhalten, als sie erkannte, dass Luke nicht unter ihnen war.
»Es kommt noch einer«, hörte sie einen Journalisten von den Vorabendnachrichten rufen, »zusammen mit der Lehrerin.«
Su Lings Blick heftete sich auf die offene Tür. Sie beschrieb diese beiden Minuten später als die längsten ihres Lebens.
Ein noch größerer Jubel brandete auf, als Miss Hudson in der Tür erschien, Luke fest an der Hand. Su Ling sah zu ihrem Ehemann auf, der vergeblich versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
»Was ist nur mit euch Cartwrights los«, sagte sie, »dass ihr immer die Letzten sein müsst?«
*
Fletcher blieb an der Tür stehen, bis er Miss Hudson nicht länger sehen konnte. Dann schloss er sie bedächtig und nahm das
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