Archer Jeffrey
»Und
du brauchst mich gar nicht so anzuschauen, junge Dame. Ich bin
sicher, daß du Stuart hin und wieder mit dem jungen Kellner aus
Dublin ärgerst, der…«
»Mutter! Ganz abgesehen davon ist er längst…«
»Was?« wollte Stuart wissen.
»Professor am Trinity College in Dublin«, antwortete Tara.
»Außerdem ist er glücklich verheiratet und hat drei Kinder. Das ist
mehr, als von den meisten deiner ehemaligen Freundinnen gesagt
werden kann.«
»Stimmt«, gab Stuart zu und wandte sich wieder an Maggie.
»Verrate uns doch, wann Dr. O’Casey in Australien ankommen
wird.«
Maggie faltete den Brief wieder auf und las vor:
»Ich fliege am 14. von Chicago ab und treffe am 15. ein.«
»Aber das ist ja heute!« rief Stuart. Maggie nickte, ehe sie fortfuhr:
»Ich werde in Sydney übernachten und am nächsten Tag den Vizerektor treffen, bevor ich nach Chicago zurückkehre.«
Sie blickte auf. »Er wird auf dem Heimflug sein, ehe wir von unserem Wochenendtrip zurück sind.«
»Oh, das ist zu dumm!« bedauerte Tara. »Nach all diesen Jahren hätte ich den getreuen Dr. Declan O’Casey wirklich gern einmal kennengelernt.«
»Und das könntest du immer noch.« Stuart blickte auf die Uhr. »Wann landet sein Flieger?«
»Zwanzig nach elf«, antwortete Maggie. »Ich fürchte, wir werden ihn verfehlen. Und er hat nicht geschrieben, wo er absteigt, also können wir uns nicht einmal mit ihm in Verbindung setzen, bevor er nach Hause fliegt.«
»Wo ist nur deine Energie geblieben?« rügte Stuart. »Wenn wir in zehn Minuten fahren, können wir vielleicht noch vor seiner Maschine am Flughafen sein. Du könntest ihn einladen, mit uns zu Mittag zu essen.«
Tara blickte zu ihrer Mutter, die von dieser Idee offensichtlich nicht begeistert war. »Selbst wenn wir es schaffen, wird er wahrscheinlich ablehnen«, vermutete Maggie. »Der Jetlag wird ihm zu schaffen machen. Und er will sich bestimmt auf das morgige Treffen vorbereiten.«
»Aber wenigstens hast du es dann versucht«, meinte Tara.
Maggie faltete den Brief wieder zusammen und zog ihre Schürze aus. »Du hast recht, Tara. Nach so vielen Jahren ist es das mindeste, das ich tun kann.« Sie lächelte ihre Tochter an, verließ rasch die Küche und verschwand nach oben.
In ihrem Zimmer öffnete sie den Schrank und nahm ihr Lieblingskleid heraus. Sie wollte nicht, daß Declan in ihr eine Frau mittleren Alters sah – wirklich idiotisch, dachte sie, schließlich war sie tatsächlich in den allerbesten Jahren, genau wie er. Sie begutachtete sich im Spiegel. Passabel für einundfünfzig, fand sie. Sie hatte nicht zugenommen, aber während der vergangenen sechs Monate hatten sich zwei Falten in ihre Stirn gegraben.
Als Maggie nach unten kam, stapfte Stuart in der Diele hin und her. Sie war sicher, daß er längst alles im Wagen verstaut hatte und daß der Motor bereits lief.
»Komm endlich, Tara!« rief er zum drittenmal die Treppe hinauf.
Tara erschien wenige Minuten später. Stuarts Ungeduld schwand, als sie lächelte.
Beim Einsteigen sagte sie: »Ich kann es kaum erwarten, Declan kennenzulernen. Ich finde, sogar sein Name hat etwas Romantisches.«
»Genauso ging es mir damals auch«, gestand Maggie.
»Was ist schon an einem Namen dran?« Stuart grinste und lenkte den Wagen über die Einfahrt auf die Straße.
»Eine ganze Menge«, antwortete Maggie, »wenn man als Margaret Deirdre Burke aufwächst.« Stuart lachte unwillkürlich. »In der Schule schrieb ich mal einen Brief an mich und adressierte ihn an ›Dr. und Mrs. Declan O’Casey‹. Aber es machte ihn trotzdem nicht interessanter.« Sie tupfte nervös auf ihr Haar.
»Wäre es nicht möglich«, meinte Tara, »daß sich Dr. O’Casey in all den Jahren zu einem amüsanten, robusten und weltlichen Burschen entwickelt hat?«
»Das bezweifle ich«, entgegnete Maggie. »Wahrscheinlich eher zu einem schrulligen, runzligen Tatterich, der immer noch jungfräulich ist.«
»Wie kannst du wissen, daß er Jungfrau war?« fragte Stuart interessiert.
»Weil er das jedem auf die Nase gebunden hat«, erwiderte Maggie. »Declans Vorstellung eines romantischen Wochenendes bestand darin, bei einer Mathematikkonferenz eine Trigonometrieaufgabe zu lösen.«
Tara lachte schallend. »Aber ich muß ehrlich sein, dein Vater war nicht viel erfahrener als er. Wir verbrachten unsere erste Nacht zusammen auf einer Parkbank. Das einzige, was ich verlor, waren meine Schuhe.« Jetzt lachte auch Stuart so heftig, daß er fast gegen den Randstein
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