Archer Jeffrey
und bog am Ende der Siedlungsstraße nach rechts ab, um sich in den aus Sydney vorüberströmenden Nachmittagsverkehr auf dem Princes Highway einzureihen. Keith vermutete, Sam hätte selbst dann mit keiner Wimper gezuckt, hätte er als Fahrtziel »Wagga Wagga« oder »Broken Hill« genannt.
Binnen weniger Sekunden war Keith eingeschlafen. Er sah keine Veranlassung, wach zu bleiben; denn er vermutete, daß die Fahrt sich ohnedies als reine Zeitvergeudung herausstellen würde. Als sie an einem Ortsschild vorüberkamen, auf dem »Willkommen in Wollongong« stand, nahm Sam die nächste Kurve mit leicht überhöhtem Tempo, um seinen Chef auf diese Weise wie üblich aus dem Schlummer zu reißen. »Haben Sie ein bestimmtes Ziel?« erkundigte sich Sam. »Oder hatten Sie nur vor, eine Kohlengrube zu kaufen?«
»Nein, einen Radiosender«, erwiderte Keith.
»Tja, dann würde ich sagen, er dürfte ganz in der Nähe von dieser riesigen Antenne sein, die da vorn in die Luft ragt.«
»Ich wette, Sie haben als Pfadfinder eine Auszeichnung für Ihre Beobachtungsgabe bekommen, Sam.«
Wenige Minuten später setzte Sam seinen Chef vor einem Haus ab, auf dessen Wellblechdach mit verblassender weißer Farbe »2 WW« gepinselt war.
Townsend stieg aus, rannte die Stufen hoch, schob die Tür auf und trat an einen kleinen Schreibtisch. Die noch sehr junge Empfangsdame hielt mit dem Stricken inne und blickte ihn an. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ja«, antwortete Townsend. »Wissen Sie, wem dieser Sender gehört?«
»Ja.«
»Und könnten Sie mir das auch verraten?«
»Ja. Meinem Onkel.«
»Und wer ist Ihr Onkel?«
»Ben Ampthill.« Sie betrachtete Townsend genauer. »Sie sind wohl nicht von hier?«
»Nein«, gestand er.
»Ich hatte gleich das Gefühl, daß ich Sie noch nie zuvor gesehen habe.«
»Wissen Sie, wo er wohnt?«
»Wer?«
»Ihr Onkel.«
»Ja. Natürlich.«
»Und wäre es auch möglich, daß Sie mir sagen, wo das ist?« Townsend bemühte sich, seinen Ärger nicht zu zeigen.
»Na klar. In dem großen weißen Haus auf dem Hügel in Woonona. Gleich vor der Stadt. Unmöglich zu übersehen.«
Townsend stürmte aus dem Schuppen, sprang in den Wagen und gab die Wegbeschreibung an Sam weiter.
In einem hatte die junge Empfangsdame recht: Das große weiße Haus auf dem Hügel war unmöglich zu übersehen. Sam bog von der Landstraße ab und verlangsamte das Tempo, als er durch das breite, offenstehende Tor aus Schmiedeeisen zum Haus fuhr. Vor einem eleganten Portikus hielt er an.
Townsend schlug mit dem schweren schwarzen Türklopfer gegen das Holz und wartete geduldig. Er hatte sich seine Worte bereits zurechtgelegt: Verzeihen Sie, daß ich Sie an einem Sonntagnachmittag belästige, aber ich würde gern mit Mr. Ampthill reden.
Die Tür wurde von einer Frau mittleren Alters in einem eleganten Kleid mit Blumenmuster geöffnet. Es sah so aus, als hätte sie ihn erwartet.
»Mrs. Ampthill?«
»Ja. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Mein Name ist Keith Townsend. Entschuldigen Sie, daß ich Sie an einem Sonntagnachmittag belästige, aber ich kam in der Hoffnung hierher, mit Ihrem Gemahl sprechen zu können.«
»Meine Nichte hatte recht«, sagte Mrs. Ampthill. »Sie sind nicht von hier, sonst wüßten Sie, daß Ben von Montag bis Freitag im Verwaltungsbüro der Bergbaugesellschaft zu finden ist, sich den Samstag freihält, um Golf zu spielen, am Sonntagmorgen zur Kirche geht und den Nachmittag im Sender verbringt, um sich die Sportveranstaltungen anzuhören, vor allem Kricket. Ich glaube, das war der einzige Grund, daß er den Sender überhaupt gekauft hat.«
Townsend lächelte über diese zuvorkommende Auskunft. »Danke für Ihre Hilfe, Mrs. Ampthill. Es tut mir leid, daß ich Sie gestört habe.«
»Das haben Sie nicht«, versicherte sie ihm und blickte ihm nach, bis er wieder im Wagen saß.
»Zurück zum Sender, Sam«, sagte Townsend und gab seinen Fehler unwillig zu.
Als er zum zweitenmal zum Vorzimmerschreibtisch trat, fragte er sofort: »Warum haben Sie mir nicht gesagt, daß Ihr Onkel die ganze Zeit hier war?«
»Weil Sie nicht gefragt haben.« Das junge Mädchen blickte nicht einmal von ihrem Strickzeug auf.
»Also, wo genau ist er?«
»In seinem Büro.«
»Und wo ist sein Büro?«
»Im dritten Stock.«
»Dieses Hauses?«
»Natürlich.« Sie blickte ihn an, als hätte sie es mit einem Schwachkopf zu tun.
Da es hier keinen Fahrstuhl zu geben schien, rannte Townsend die Treppe zum dritten Stock hinauf und dort den Korridor entlang,
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