Archer Jeffrey
darauffolgenden Tag erhielt Captain Richard Armstrong eine Woche Urlaub. Er fuhr mit seinem Motorrad zurück nach Paris und traf wenige Minuten vor Mitternacht vor Charlottes Haus ein. Diesmal brachte die Concierge ihn direkt zum Apartment.
Am nächsten Morgen schritten Charlotte in einem weißen Kostüm und Dick in seiner Paradeuniform zum Standesamt. Dreißig Minuten später traten sie als Captain und Mrs. Armstrong heraus. Die Concierge und ihr Mann hatten als Trauzeugen fungiert. Den größten Teil ihrer dreitägigen Flitterwochen verbrachte das junge Paar in Charlottes winzigem Apartment. Als Dick seine Frau verließ, um zu seinem Regiment zurückzukehren, erklärte er, daß er mit Charlotte nach England heimkehren wolle, um dort ein großes Unternehmen aufzubauen.
»Haben Sie schon irgendwelche Pläne, jetzt, wo der Krieg vorbei ist, Dick?« fragte Colonel Oakshott.
»Ich werde nach England zurückkehren und mir eine Stellung suchen«, antwortete Armstrong.
Oakshott öffnete den bräunlichen Ordner, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. »Ich habe hier in Berlin vielleicht etwas für Sie.«
»Als was, Sir?«
»Das Oberkommando sucht einen geeigneten Mann für die Leitung der PRISC. Ich glaube, Sie sind genau der Richtige für diesen Posten.«
»Was in aller Welt ist die…«
»Die PRISC ist die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Presseaufsicht. Der Posten ist wie geschaffen für Sie. Wir suchen jemanden, der Großbritanniens Sache überzeugend darstellen und sich gleichzeitig vergewissern kann, daß die Presse die Angelegenheit auch richtig interpretiert. Den Krieg zu gewinnen war eine Sache, aber die Welt davon zu überzeugen, daß wir die einstigen Feinde fair behandeln, ist eine andere – und sie erweist sich als viel schwieriger. Die Amerikaner, Russen und Franzosen werden ihre eigenen Vertreter abstellen; deshalb brauchen wir jemanden, der auch ein Auge auf sie haben kann. Sie beherrschen mehrere Sprachen und verfügen über alle nötigen Voraussetzungen. Und, Dick, Sie haben keine Familie in England, zu der Sie zurückeilen möchten.«
Armstrong nickte. Nach einigen Augenblicken sagte er: »Um Montgomery zu zitieren: ›Welche Waffen geben Sie mir, um den Job zu erledigen?‹«
»Eine Zeitung«, erwiderte Oakshott. » Der Telegraf ist eine der Berliner Tageszeitungen. Ihr derzeitiger Verleger ist Arno Schulz, ein Deutscher. Die ganze Zeit jammert er darüber, er könne seine Druckerpressen nicht in Betrieb halten, und ständig macht er sich Sorgen über die Papierknappheit. Außerdem fällt häufig der Strom aus. Wir möchten, daß Der Telegraf auch wirklich täglich erscheint und unsere Ansichten verbreitet. Ich wüßte niemanden, der diese Aufgabe besser erledigen könnte als Sie.«
» Der Telegraf ist nicht die einzige Berliner Tageszeitung«, wandte Armstrong ein.
»Stimmt.« Der Colonel nickte. »Ein anderer Deutscher verlegt im amerikanischen Sektor den Berliner – ein weiterer Grund, daß unser Projekt unter keinen Umständen scheitern darf. Momentan ist die Auflage des Berliner doppelt so hoch wie die des Telegraf. Wie Sie sich vorstellen können, hätten wir’s umgekehrt lieber.«
»Und welche Befugnisse hätte ich?«
»Sie bekommen freie Hand. Sie dürfen sich Ihre Redaktion selbst einrichten und soviel Personal einstellen, wie Sie für nötig halten. Es ist auch eine Wohnung vorhanden, Sie könnten Ihre Frau also gleich herkommen lassen.« Oakshott machte eine Pause. »Hätten Sie gern eine kurze Bedenkzeit, Dick?«
»Die brauche ich nicht, Sir.«
Der Colonel zog die Brauen hoch.
»Ich nehme mit Freuden an.«
»Sehr gut. Fangen Sie an, indem Sie zuerst einmal Verbindungen herstellen. Sehen Sie zu, daß Sie jeden kennenlernen, der uns irgendwie von Nutzen sein kann. Falls Sie auf Probleme stoßen, verweisen Sie direkt an mich – egal, wer Ihnen in die Quere kommt. Sollten Sie irgendwie gar nicht weiterkommen, reichen für gewöhnlich die Worte ›Alliierter Kontrollrat‹ um selbst die unbeweglichsten Räder zu ölen.«
Captain Armstrong benötigte lediglich eine Woche, die geeigneten Redaktionsräume im Herzen des britischen Sektors zu requirieren, was er zum Teil tatsächlich dem Wort »Kontrollrat« verdankte, das er in fast jedem zweiten Satz benutzte. Ein bißchen länger brauchte er dazu, sein elfköpfiges Personal zu rekrutieren; denn die Besten arbeiteten bereits für den Rat. Armstrong erster Schritt bestand darin, Sally Carr abzuwerben, die Sekretärin eines Generals, die
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