Archer Jeffrey
würdigen wußte, daß der alte Anwalt mit diesem ethischen Problem zu
kämpfen hatte.
»Bevor ich nun auf das Testament Bezug nehme, muß ich
Sie noch in einer anderen Sache ins Vertrauen ziehen.« Charlie nickte.
»Es ist Ihnen nur allzu klar, Sir Charles, daß Mr. Nigel
Trentham jetzt der nächste erbberechtigte Verwandte ist. Indes
sollten wir nicht außer acht lassen, daß Sir Raymonds
Testament so formuliert ist. daß er sich nicht überwinden
konnte, ihn als Erbberechtigten zu nennen. Ich vermute, er
hatte gehofft, Daniel würde Kinder haben, die automatisch in
sein Erbe eingetreten wären.
Die momentane Situation sieht so aus, daß Mr. Nigel
Trentham als Sir Raymonds nächster noch lebender
Nachkomme die Trumper-Aktien sowie der Rest des
Hardcastleschen Nachlasses zustehen – ein gewaltiges
Vermögen, das ihm, wie ich bestätigen kann, die nötigen Mittel
für ein komplettes Übernahmeangebot der Aktien Ihrer
Gesellschaft gäbe. Doch das ist nicht der Grund, weshalb ich
Sie heute zu mir gebeten habe. Nein, der Grund ist, daß es eine
Verfügung in dem Testament gibt, von der Sie nichts wissen
können. Nach Erwägung von Sir Raymonds Brief halte ich es
für meine Pflicht, Ihnen den Inhalt dieser Verfügung
mitzuteilen, da er äußerst wichtig ist.«
Baverstock kramte in seiner Akte und holte ein Bündel
Papiere heraus, das mit Wachs versiegelt und durch ein rosa
Band zusammengehalten wurde.
»Die Formulierung der ersten elf Verfügungen in Sir
Raymonds Testament kostete mich sehr viel Zeit. Doch ihr
Inhalt ist für unsere Sache unwesentlich. Es handelt sich dabei
um geringere Zuwendungen an Neffen, Nichten und andere entferntere Verwandte, die die hinterlassenen Beträge bereits bekommen haben. Die Verfügungen zwölf bis einundzwanzig betreffen wohltätige Einrichtungen, Vereine und akademische Institutionen, die Sir Raymond schon lange Zeit unterstützt hatte und die er in seinem Letzten Willen großzügig bedacht hat. Doch die zweiundzwanzigste Verfügung ist die, die ich für
wesentlich erachte.«
Wieder räusperte sich Baverstock, ehe er auf das Testament
blickte und mehrere Seiten umblätterte.
»›Der verbleibende Rest meines Vermögens geht an Mr.
Daniel Trumper, Professor am Trinity College in Cambridge.
Überlebt er meine Tochter Ethel Trentham jedoch nicht, soll es
zu gleichen Teilen zwischen seinen Kindern aufgeteilt werden.
Sofern er keine Kinder hat, geht das Vermögen an meinen
nächsten lebenden Nachkommen.‹ Und jetzt zum wesentlichen
Abschnitt, Sir Charles. ›Sollte der besagte Fall eintreten, erteile
ich hiermit meinen Nachlaßverwaltern den Auftrag, alle nur
möglichen Schritte zu unternehmen, jemanden zu finden, der
das Recht hat, Anspruch auf meine Hinterlassenschaft zu
erheben. Die Auszahlung des Restvermögens darf erst zwei
Jahre nach dem Jod meiner Tochter erfolgen.‹«
Charlie wollte etwas fragen, als Mr. Baverstock die Hand
hob.
»Es ist mir klargeworden«, fuhr Baverstock fort, »daß Sir
Raymond mit der Verfügung zweiundzwanzig bezweckte,
Ihnen genügend Zeit zu geben, Ihre Truppen zu sammeln und
gegen eine mögliche feindliche Übernahme durch Nigel
Trentham zu kämpfen.
Sir Raymond hinterließ auch Anweisungen, daß nach
angemessener Zeit nach dem Tod seiner Tochter Anzeigen in
der Times, dem Telegraph und dem Guardian aufgegeben
werden sollten sowie in jeder anderen Zeitschrift, die ich für
maßgeblich oder zweckdienlich halte, um mögliche
Verwandte, die Anspruch auf ein Erbteil haben könnten, aufzuspüren. Dreizehn solche Personen haben bereits je tausend Pfund erhalten, aber es könnte ja sein, daß es noch andere entfernte Verwandte von Sir Raymond gibt, von denen er nichts wußte, die jedoch nach seiner Verfügung durchaus noch etwas erben können. Jedenfalls gab das dem alten Herrn einen ausreichenden Grund für die Zweijahresklausel. So wie ich es sehe, war Sir Raymond gern bereit, irgendwelchen unbekannten Verwandten je tausend Pfund zu vermachen, wenn er Ihnen damit ein wenig Spielraum verschaffen könnte. Übrigens«, fuhr Baverstock fort, »ich habe beschlossen, die Yorkshire Post und den Huddersfield Daily Examiner den im Testament aufgeführten Zeitungen hinzuzufügen, wegen der
Familienverbindung in diesem Gebiet.«
»Welch ein schlauer alter Fuchs er doch gewesen sein
muß«, sagte Charlie. »Ich wünschte, ich hätte ihn gekannt.« »Ich bin ziemlich sicher, Sir Charles, daß Sie ihn gemocht
hätten.«
»Es war auch außerordentlich zuvorkommend von
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