Archer Jeffrey
schritten sie in den Ballsaal des Regierungshauses.
»Ich freue mich, daß Sie sich die Zeit nehmen konnten, Sir Charles«, begrüßte ihn ein großer, eleganter Herr in gestreiftem Zweireiher und einer Guards Krawatte.
»Wie freundlich, mich einzuladen, Sir Oliver.«
»Und wie war der Flug, alter Junge?«
»Fünf Zwischenlandungen zum Auftanken, und nicht in einem einzigen Flughafen verstand man es, anständigen Tee aufzugießen.«
»Dann brauchen Sie einen hiervon«, schlug Sir Oliver vor und reichte Charlie einen großen Whisky, den er geschickt von einem Tablett nahm, das soeben vorübergetragen wurde. »Wenn man sich vorstellt, daß unsere Enkel angeblich den ganzen Flug London-Sydney nonstop in einem Tag schaffen sollen! Jedenfalls war Ihre Reise bestimmt sehr viel angenehmer als die der ersten Siedler.«
»Schwacher Trost.« Charlie fiel nichts Passenderes ein, während ihm bewußt wurde, wie groß der Unterschied zwischen dem von Mr. Baverstock empfohlenen Mitarbeiter in Australien und dem Vertreter der Königin war.
»Erzählen Sie mir doch, was Sie nach Sydney führt«, bat der Generalkonsul. »Beabsichtigen Sie, den zweitgrößten Karren der Welt auf diese Seite des Globus zu schieben?«
»Nein, Sir Oliver, davor werden Sie verschont. Ich bin privat hier, ich versuche eine Familienangelegenheit zu klären.«
»Nun, wenn ich Ihnen auf irgendeine Weise behilflich sein kann«, erbot sich sein Gastgeber und nahm ein Glas Gin von einem anderen vorüberkommenden Tablett, »dann lassen Sie es mich wissen.«
»Das ist sehr gütig von Ihnen, Sir Oliver, denn ich brauchte tatsächlich Ihre Hilfe in einer kleinen Angelegenheit.«
»Und wie kann ich Ihnen helfen?« fragte Sir Oliver, während er schon über Charlies Schulter auf den nächsten Gast blickte.
»Indem Sie den Polizeipräsidenten von Melbourne anrufen und ihn ersuchen, so kooperativ wie möglich zu sein, wenn ich ihn morgen vormittag besuche.«
»Betrachten Sie den Anruf bereits als getätigt, alter Junge«, sagte Sir Oliver, während er sich vorbeugte, um einem arabischen Scheich die Hand zu schütteln. »Und vergessen Sie nicht, Sir Charles, wenn ich sonst noch etwas für Sie tun kann, dann zögern Sie nicht, es mich wissen zu lassen. Ah, Monsieur L’Ambassadeur, comment allez-vous?«
Charlie fühlte sich plötzlich erschöpft. Er bemühte sich, sich den Rest der Stunde auf den Beinen zu halten, während er sich mit Diplomaten, Politikern und Geschäftsleuten unterhielt, die offenbar alle recht gut mit dem größten Karren der Welt vertraut waren. Schließlich erinnerte ihn Roberts’ feste Hand auf seinem Ellbogen, daß der Form Genüge getan war und sie jetzt zum Flughafen aufbrechen mußten.
Auf dem Flug nach Melbourne konnte sich Charlie gerade wachhalten, auch wenn ihm die Lider manchmal zufielen. Auf die Frage Roberts’ bestätigte er, daß der Generalkonsul versprochen hatte, den Polizeipräsidenten am nächsten Morgen anzurufen. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob ihm klar war, wie wichtig es ist.«
»Verstehe«, sagte Roberts. »Dann werde ich mich gleich als erstes morgen früh mit seinem Büro in Verbindung setzen. Sir Oliver ist nicht gerade berühmt dafür, daß er sich die Versprechen merkt, die er bei Cocktailparties gibt. ›Wenn ich Ihnen auf irgendeine Weise behilflich sein kann, alter Junge …‹« Das entlockte Charlie sogar ein schläfriges Lächeln.
Auch am Melbourner Flughafen wartete ein Wagen auf sie, und diesmal schlief Charlie tatsächlich ein und erwachte erst, als der Wagen zwanzig Minuten später vor dem Hotel Windsor hielt. Der Hoteldirektor führte seinen Gast persönlich zur Prince-Edward-Suite, und kaum war Charlie allein, zog er sich aus, duschte und stieg ins Bett. Minuten später schlief er schon tief. Doch gegen vier Uhr morgens war er bereits wieder wach.
Ungemütlich gegen Schaumgummikissen gestützt, die nicht an einem Fleck bleiben wollten, verbrachte Charlie die nächsten drei Stunden damit, die von Roberts zusammengestellte Akte durchzusehen. Der junge Mann mochte zwar nicht wie Baverstock aussehen und reden, aber was Gründlichkeit anbelangte, gab es keinen Unterschied, wie jede Seite bewies. Als Charlie den Ordner schließlich zur Seite legte, mußte er zugeben, daß Roberts’ Kanzlei keinen Aspekt des Problems außer acht gelassen hatte und jedem Hinweis gefolgt war. Jetzt war der Polizeipräsident von Melbourne wirklich seine letzte Hoffnung.
Um sieben Uhr duschte Charlie kalt und um acht gönnte er
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