Archer Jeffrey
hatte sagen können, wo er war. Er versuchte gar nicht erst zu schlafen. Als der Bus sie am Morgen zurück zum Flugplatz kutschiert hatte, begrüßte sie derselbe indische Beamte mit breitem Lächeln.
»Das Flugzeug wird pünktlich starten«, versprach er.
Pünktlich, dachte Charlie. Normalerweise hätte er sich darüber amüsiert.
Eine Stunde später hob die Maschine tatsächlich ab, und als Charlie sich erkundigte, wann sie in Heathrow landen würde, versicherte man ihm, am Samstag nachmittag, eine genauere Zeitangabe sei unmöglich.
Das Flugzeug machte eine weitere unplanmäßige Zwischenlandung in Rom, und Charlie rief Becky vom Flughafen Leonardo da Vinci an. Er ließ sie gar nicht zu Wort kommen. »Ich bin jetzt in Rom«, erklärte er, »und fliege in Kürze weiter. Stan soll mich von Heathrow abholen. Ich weiß die genaue Ankunftszeit nicht, du schickst ihn deshalb am besten gleich los, dann kann er am Flughafen auf mich warten. Hast du das?«
»Ja«, versicherte ihm Becky.
»Außerdem brauche ich Baverstock in seinem Büro. Falls er bereits übers Wochenende aufs Land gefahren ist, dann bitte ihn, alles stehen- und liegenzulassen und nach London zurückzukommen.«
»Du klingst gestreßt, Schatz.«
»Tut mir leid, aber es war nicht gerade die einfachste Reise.«
Mit dem Bild unter dem Arm und keinerlei Interesse, was diesmal mit dem Flugzeug los war oder was aus seinem Koffer würde, nahm er die nächste an diesem Nachmittag startende Maschine einer europäischen Fluggesellschaft nach London, und als er in der Luft war, blickte er alle zehn Minuten auf die Uhr. Sie überquerten den Kanal um zwanzig Uhr, und Charlie war der Meinung, daß vier Stunden genügen müßten, um Cathys Anspruch anzumelden – sofern es Becky gelungen war, Baverstock aufzuspüren.
Während die Maschine über London kreisen mußte, schaute Charlie durch das kleine ovale Fenster und starrte hinunter auf die Schlangenlinie der Themse.
Es dauerte zwanzig Minuten, bis die Lichter der Landebahn in zwei geraden Reihen zu Charlie heraufblitzten, dann setzten die Räder mit einer kleinen Rauchwolke auf, und das Flugzeug rollte zu seinem Flugsteig. Um zwanzig Uhr neunundzwanzig wurde endlich die Tür geöffnet.
Charlie packte sein Bild und rannte zur Paßkontrolle und durch den Zoll.
Er hielt nicht an, bis er eine Telefonzelle sah, aber da er nicht die nötigen Münzen für ein Ortsgespräch bei sich hatte, nannte er der Vermittlung seinen Namen und meldete ein RGespräch an. Augenblicke später wurde er verbunden.
»Becky, ich bin in Heathrow. Wo ist Baverstock?«
»Auf dem Rückweg von Tewkesbury. Dürfte um halb zehn, spätestens um zehn in seinem Büro sein.«
»Gut. dann komme ich direkt nach Hause. Ich bin in etwa vierzig Minuten bei dir.«
Charlie hängte ein, blickte auf die Uhr und stellte fest, daß ihm nicht genug Zeit blieb, Dr. Atkins anzurufen. Er rannte durch den Ausgang und fröstelte in der Kälte, die ihm plötzlich entgegenschlug. Stan wartete am Wagen auf ihn. Im Laufe der Jahre hatte sieh der ehemalige Hauptfeldwebel an Charlies Ungeduld gewöhnt, er fuhr ihn flüssig durch die Vororte, ohne auf die Geschwindigkeitsbegrenzung zu achten, bis sie Chiswick erreichten, wo höchstens noch ein Motorrad sie hätte einholen können. Trotz des strömenden Regens hatte er seinen Chef um neun Uhr sechzehn zu Hause am Eaton Square.
Charlie begann der schweigend zuhörenden Becky zu erzählen, was er in Australien alles entdeckt hatte, und war mit seiner Geschichte etwa halb durch, als Baverstock anrief und sagte, er sei jetzt zurück in seinem Büro in High Holborn. Charlie dankte ihm, richtete ihm die Grüße seines Neffen aus und entschuldigte sich, daß er ihm sein Wochenende verdorben hatte.
»Es wird nicht verdorben sein, wenn Sie gute Neuigkeiten haben«, entgegnete Baverstock.
»Guy Trentham hatte noch ein Kind«, sagte Charlie leise.
»Ich dachte mir schon, daß Sie mich nicht von Tewkesbury zurückholen ließen, um mir die neuesten Kricketergebnisse des Vergleichskampfs in Melbourne mitzuteilen. Sohn oder Tochter?«
»Tochter.«
»Ehelich oder unehelich?«
»Ehelich.«
»Dann kann sie ihren Anspruch auf das Erbe noch vor Mitternacht eintragen lassen.«
»Das muß sie persönlich?«
»Das ist eine Testamentsbedingung«, erklärte ihm Baverstock. »Aber wenn sie noch in Australien ist, kann sie es auch bei Trevor Roberts, da ich ihm …«
»Nein, sie ist in England, ich werde sie bis Mitternacht bei Ihnen haben.«
»Gut. Ach ja,
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