Archer Jeffrey
alle paar Minuten auf seine Taschenuhr zu sehen. Sie starteten eine Stunde später als vorgesehen.
Während das Flugzeug auf dem Palam-Flughafen in NeuDelhi aufgetankt wurde, schlenderte er im zollfreien Bereich herum, aber er wurde es allmählich leid zu sehen, wie überall die gleichen Uhren, Parfüms und Schmuckstücke zu einem Fünfzig-Prozent-Aufschlag, wie er wußte, an arglose Passagiere verkauft wurden. Als die übliche Auftankstunde vergangen war und immer noch nicht zum Wiedereinsteigen aufgerufen wurde, ging Charlie zur Auskunft, um dort in Erfahrung zu bringen, wodurch sie aufgehalten wurden.
»Es gibt offenbar ein Problem mit der Crew, die hier übernehmen soll«, sagte die junge Frau hinter dem Schalter. »Sie hat die von der IATA vorgeschriebenen vierundzwanzig Stunden Ruhezeit noch nicht beendet.«
»Und wieviel hat sie bereits?«
»Zwanzig, Sir«, antwortete das Mädchen verlegen.
»Das bedeutet also, daß wir noch vier Stunden hier herumstehen werden?«
»Ich fürchte ja.«
»Wo ist das nächste Telefon?« Charlie versuchte gar nicht seinen Ärger zu verbergen.
»Dort in der Ecke, Sir.« Das Mädchen deutete nach rechts.
Charlie mußte wieder Schlange stehen, und als er endlich an der Reihe war, gelang es ihm zweimal, zur Vermittlung durchzukommen und einmal sogar mit London verbunden zu werden, doch ohne Becky zu erreichen. Als er nach diesen erfolglosen Versuchen wieder ins Flugzeug stieg, war er erschöpft.
»Hier spricht Captain Parkhouse. Wir bedauern den verspäteten Abflug«, entschuldigte sich der Pilot. »Ich hoffe, die Verzögerung hat Ihnen keine Ungelegenheiten bereitet. Bitte schnallen Sie sich jetzt an.«
Die vier Triebwerke heulten auf, das Flugzeug rollte vorwärts und beschleunigte auf der Startbahn. Plötzlich riß es Charlie nach vorn, als die Bremsen einrasteten und die Maschine ein paar hundert Meter vor dem Ende der Startbahn mit kreischenden Bremsen zum Stehen kam.
»Hier spricht Ihr Kapitän. Ich muß Ihnen leider mitteilen, daß die hydraulischen Pumpen, die das Fahrwerk beim Starten und Landen aus- und einfahren, auf dem Instrumentenbrett rot anzeigen, und ich bin nicht bereit, damit einen Start zu riskieren. Wir werden deshalb zurückrollen und die einheimischen Techniker bitten, den Schaden so schnell wie möglich zu beheben. Danke für Ihr Verständnis.«
Es war das Wort ›einheimisch‹, das Charlie beunruhigte.
Nachdem er wieder ausgestiegen war, rannte er von einem Luftgesellschaftsschalter zum nächsten, um herauszufinden, ob in dieser Nacht noch irgendwelche Maschinen irgendwohin nach Europa flogen. Er brachte rasch in Erfahrung, daß vor dem nächsten Morgen kein Flug in Richtung Norden gestartet wurde. Jetzt konnte er nur noch hoffen, daß die indischen Techniker schnell und tüchtig waren.
Charlie saß in der rauchigen Wartehalle, blätterte Zeitschrift um Zeitschrift durch, trank ein Mineralwasser nach dem anderen und hielt die Ohren nach jeglicher Information über das Schicksal von Flug 102 offen. Die erste war, daß man nach dem Chefingenieur geschickt hatte.
»Geschickt?« fragte Charlie. »Was soll das heißen?«
»Wir haben einen Wagen zu ihm geschickt«, erklärte ein lächelnder Flughafenbeamter in abgehacktem, von starkem Akzent gefärbtem Englisch.
»Einen Wagen geschickt? Wieso ist er nicht auf dem Flughafen, wenn er gebraucht wird?«
»Er hat seinen freien Tag.«
»Ja, haben Sie denn keine anderen Ingenieure?«
»Keine für einen so großen Job«, gestand der von allen Seiten bedrängte Beamte.
Charlie schlug mit der Hand auf die Stirn. »Und wo wohnt dieser Chefingenieur?«
»In Neu-Delhi. Machen Sie sich keine Sorgen. Sir, er dürfte innerhalb einer Stunde hier sein.« Charlie dachte: Das Problem mit diesem Land ist, daß sie einem genau das sagen, was man hören will.
Aus irgendeinem Grund war derselbe Beamte später nicht imstande zu erklären, wieso es zwei Stunden gedauert hatte, den Chefingenieur zu finden, eine weitere, ihn zum Flughafen zu bringen, und nochmals fünfzig Minuten, bis er entdeckt hatte, daß für den Job ein Team von drei qualifizierten Technikern benötigt wurde, die sich erst kurz zuvor selbst in den Feierabend verabschiedet hatten.
Ein klappriger alter Bus brachte die Passagiere von Flug 102 zum Hotel Tadsch Mahal in der Innenstadt, wo Charlie sich den größten Teil der Nacht auf seinem Bett sitzend bemühte, mit Becky verbunden zu werden. Und als er sie dann endlich am Apparat hatte, wurden sie getrennt, noch ehe er ihr
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