Archer Jeffrey
aus dem Lift und führte sie rasch durch einen Seiteneingang neben der Königsloge. Mr. Jackson entfernte ein kleines Bild, das die Königin bei der Eröffnung des Hauses 1957 zeigte, schob einen Laden zurück und konnte nun durch einen einseitigen Spiegel auf das Publikum sehen. »Eine Sicherheitsvorkehrung für Notfälle«, erklärte er. Dann nahm er zwei Operngläser von ihren Plätzen und reichte eines Becky und das andere Charlie.
»Wenn Sie die Dame entdecken könnten, würde einer meiner Platzanweiser sie unauffällig hinausbitten.« Er lauschte ein paar Sekunden der Musik, dann fügte er hinzu: »Das Konzert dauert noch etwa zehn Minuten. Zugaben sind heute nicht geplant.«
»Sieh du dich auf dem ersten Rang um, ich nehme mir das Parkett vor.« Charlie richtete das kleine Opernglas auf die Zuhörer unter ihnen.
Sie überflogen die neunzehnhundert Plätze erst, dann schauten sie sich langsamer reihauf, reihab um. Cathy war nicht zu sehen.
»Versuchen Sie es mit den Logen auf der anderen Seite, Sir Charles«, riet der Geschäftsführer.
Zwei Operngläser richteten sich auf die gegenüberliegende Seite. Auch dort war Cathy nicht zu entdecken, also wandten Charlie und Becky ihre Aufmerksamkeit wieder dem Zuschauerraum zu.
Der Dirigent senkte seinen Stock um zweiundzwanzig Uhr zweiunddreißig zum letztenmal, und heftiger Applaus setzte ein, während Charlie und Becky unter der stehenden Menge suchten, bis das Publikum schließlich das Theater zu verlassen begann.
»Such du weiter, Becky. Ich stelle mich an den Eingang, vielleicht entdecke ich sie, wenn sie hinausgeht.« Er schoß hinaus, dicht gefolgt von Jackson, und dann die Treppe hinunter, wobei er fast einen Herrn umgerannt hätte, der die Loge unter ihnen verließ. Charlie drehte sich um, um sich zu entschuldigen.
»Hallo, Charlie. Ich wußte gar nicht, daß du Mozart magst«, sagte Cathys vertraute Stimme aus dem Hintergrund.
»Ich mochte ihn bisher auch nicht, aber das hat sich jetzt geändert.« Charlie konnte seine Begeisterung nicht verhehlen.
»Natürlich!« sagte der Geschäftsführer. »Die Loge unter uns war die einzige, in die wir nicht sehen konnten.«
»Darf ich dir vorstellen, das ist …«
»Dafür ist jetzt keine Zeit«, unterbrach Charlie sie. »Komm mit.« Er faßte Cathy am Arm. »Mr. Jackson, würden Sie die Freundlichkeit haben und meine Frau Becky bitten, diesem Herrn zu erklären, weshalb ich ihm Cathy entführen muß. Er kann sie nach Mitternacht zurückhaben«, sagte Charly und lächelte den verdutzten jungen Mann an. »Ich danke Ihnen vielmals, Mr. Jackson.«
Er blickte auf seine Uhr: zwanzig vor elf. »Wir haben noch genügend Zeit.«
»Genügend Zeit wofür, Charlie?« fragte Cathy, als er sie durch das Foyer und hinaus auf die Belvedere Road zog. Der Livrierte stand Wache beim Wagen.
»Vielen Dank, Ron«, sagte Charlie, während er die Fahrertür öffnen wollte. »Oh, verdammt! Becky hat zugesperrt.« Er drehte sich um und sah ein Taxi heranrollen. Er hielt es an.
»Ich muß schon sagen«, beschwerte sich ein älterer Herr, der auf das Taxi gewartet hatte. »Das ist mein Taxi, wie Sie sehen dürften.«
»Aber es eilt! Sie kriegt ein Baby!« rief Charlie, öffnete die Tür und schob die gertenschlanke Cathy auf den Rücksitz.
»Oh, dann wünsche ich viel Glück.« Der Herr machte einen Schritt zurück.
»Wohin, Guvn’r?« fragte der Taxifahrer.
»High Holborne hundertzehn, und beeilen Sie sich.«
»Ich glaube, daß wir dort eher einen Anwalt finden werden als einen Gynäkologen«, meinte Cathy. »Und ich hoffe, du hast einen guten Grund, mir mein spätes Dinner mit einem jungen Mann zu mißgönnen, der mich zum erstenmal seit Wochen ausgeführt hat.«
»Grund schon«, antwortete Charlie, »aber erklären kann ich dir erst später alles, nach Mitternacht. Vorher mußt du ein Dokument unterschreiben.«
Das Taxi hielt wenige Minuten nach dreiundzwanzig Uhr vor dem Haus des Anwalts. Charlie stieg aus und sah, daß Baverstock bereits an der Tür stand, um sie zu begrüßen.
»Macht acht und sechs, Guvn’r.«
»O Gott!« stöhnte Charlie. »Ich hab’ kein Geld.«
»Das macht er bei allen seinen Mädchen«, sagte Cathy und gab dem Taxifahrer einen Zehnshillingschein.
Baverstock führte sie in sein Büro, wo ein Satz Dokumente vorbereitet auf seinem Schreibtisch lag. »Seit Ihrem Anruf hatte ich ein langes Gespräch mit meinem Neffen in Australien«, sagte Baverstock zu Charlie. »Ich dürfte also ziemlich gut mit allem vertraut sein,
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