Ardeen: Band 2: Neue Wege (German Edition)
dort drüben sitzt dein Großvater. Willst du ihn zur Begrüßung nicht umarmen?“
Was sonst sollte von Ravenor kommen, als ein überaus dämlicher Spruch?
In der Ecke saß ein Skelett auf einem Stuhl. Bei näherer Betrachtung fiel auf, dass die Knochen teils durch vertrocknete Sehnen und teils durch Drähte zusammengehalten wurden. Jemand hatte sich offenbar die Mühe gemacht, das Gerippe zu erhalten.
Das Wahrzeichen – der rote Bart – ließ keine Zweifel über die Identität des Verstorbenen offen. Eine inzwischen staubig verfilzte Matte von roten Haaren, durchzogen mit weißen Strähnen. Das Haupt zierte ein ausladender Hut.
„Hallo Rotbart, schön dich kennenzulernen.“
Ravenor war an das Gerippe herangetreten und streckte gerade die Hand aus, als Eryn ihm zurief: „Nichts anfassen. Ich werde erst alles scannen. Du erinnerst dich doch noch an Dobrix’ Schwert.“ Schnell zog der junge Offizier die Hand zurück.
„Wollte nur guten Tag sagen.“
„Du wolltest – wie immer – alles begrapschen . Hände weg von magischen Sache n und den Kapitän hast du ja auch gehört.“ Vorsicht ist immer besser. Man weiß nie, was man versehentlich auslöst .
Umsichtig scannte Eryn die Gegenstände im Raum, derweil Ravenor sich aus sicherem Abstand heraus die wertvollen Objekte ansah. Rotbart war mit Abstand das imposanteste Stück der Sammlung.
Ein zackiger Eisenreif, der auf einem Steinsockel lag, war wohl die Krone Kahls. Krone war schon ein weit hergeholter Begriff. Dann gab es noch einen zerfledderten Hut, der mit einem Dolch an ein Brett geheftet war. Selbiges hing etwas schief an der Wand. Auf einem kleinen Tisch lagen ein paar Goldmünzen, daneben eine Doppelaxt. Ihr Stiel war abgebrochen, ansonsten wäre diese Waffe wahrscheinlich das wertvollste Stück der Sammlung gewesen. Auf einem weiteren Tisch stand ein riesiger Humpen und an der Wand hingen noch mehrere Flaggen, zerrissen, verdreckt und halb verrottet.
„Kümmert sich wohl keiner groß darum“, mutmaßte Ravenor.
Inzwischen war Eryn mit seinem Scan fertig.
„Kannst dich ja um den Job bewerben, wenn der Prinz dich rauswirft.“
Gutgläubig fragte Ravenor: „Warum sollte er mich rauswerfen? Bin doch sein persönlicher Adjutant.“
„Schon vergessen? Die lustige Abrechnung? Ganz zu schweigen davon, dass du nun den Pirateneid geleistet hast. Ist das nicht Verrat?“
An die Abrechnung wollte Ravenor eigentlich nicht mehr erinnert werden. Mit dem Verrat konnte er leben.
„Den Zettel sieht Prinz Raiden doch gar nicht. Meister Werge legt ihn irgendwo ab und das war es dann. Außerdem gibt es andere Probleme, die wir zuerst lösen müssen. Wie willst du die Artefakte an dich nehmen, wenn du sie nicht berühren möchtest und zweitens wie kommen wir später überhaupt von der Insel wieder herunter?“
Genau dieselben Fragen beschäftigten auch Eryn und er hatte keine Lösung parat, dafür aber noch einen weiteren Punkt.
„Und drittens stehen wir unter einem Bann. Das hat nämlich der Thron mit dem Blut und dem Schwur zusammen bewirkt. Ich erspare dir Einzelheiten, Unmagischer, aber der Bann wird uns hindern, gewisse Dinge zu tun. Fragt sich nun welche?“
Es schien so, als ob Rotbart sie aus seinen leeren Augenhöhlen anstarrte und dazu noch hämisch grinste. Es war Eryn unbehaglich, dass dieses Skelett sein Vorfahr gewesen sein sollte. Seine Gedanken verweilten bei dem Haufen Knochen, während Ravenor sich über Eryns Bemerkung aufregte:
„Du bist nicht Prinz Raiden! Also verkneif dir die abfällige Anred e Unmagische r . Vom Prinzen muss ich mir das kommentarlos gefallen lassen, aber dir , Seekränklin g , kann ich durchaus eine reinhauen.“
Man musste nicht auf alles antworten, was Ravenor so von sich gab und der redete nach einer kurzen Pause auch wieder munter weiter.
„Kannst du den Bann brechen ? “
In Ravenors Welt ist das mit der Magie immer so einfach . Du bist ein Magier, also kannst du grundsätzlich alles bewerkstelligen, weil Magier das eben können . In Eryns Welt sah das ganz anders aus. Theoretisch kann man alle Probleme magisch lösen, praktisch habe ich aber keine Ahnung wie.
„Ich habe die Sachen untersucht. Die Krone ist magisch, aber eigentlich nichts Besonderes. Unsere Rüstungen sind besser bezaubert als dieses Kunstwerk. An Rotbart hängt der Schatten eines Zaubers, ich vermute das hat mit seinem grausigen Ableben zu tun. Das Fleisch von den Knochen faulen lassen. Von so einem Zauber habe ich bisher
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