Argeneau Vampir 13 - Vampir zu verschenken
ihre Gedanken Eshe verrieten. Offenbar war Eshes Anwesenheit ein derart ungewöhnliches Ereignis, dass die Haushälterin den ganzen Tag über darauf gewartet hatte, sie zu Gesicht zu bekommen. Als sie dann mit ihrer Geduld am Ende war, hatte sie beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen – unter Zuhilfenahme des Staubsaugers.
In Wahrheit war die Frau froh darüber, dass sie den Gast geweckt hatte, denn, wie Eshe ihren Gedanken entnahm, hielt die Haushälterin sie für einen echten Hingucker und konnte es kaum erwarten, den jungen Frauen im Friseursalon, den sie einmal in der Woche aufsuchte, um sich die Haare waschen und legen zu lassen, von ihr zu erzählen. Oh, die Mädels würden ganz schön aus dem Häuschen sein, wenn sie erfuhren, was für eine Schönheit sich im Haus des Junggesellen Armand Argeneau einquartiert hatte. Vielleicht würden ja schon bald die Hochzeitsglocken läuten.
Seufzend hörte Eshe auf, sich mit den Gedanken dieser Frau zu beschäftigen, um sich stattdessen ihrem interessierten Gesichtsausdruck zu widmen. Erst da wurde ihr klar, dass die Haushälterin sie längst von Kopf bis Fuß begutachtet hatte. Eshe sah an sich hinab und blickte missmutig drein. Das übergroße T-Shirt bedeckte zwar alles, worauf es ankam, aber so hatte sie dieser Frau nicht gerade gegenübertreten wollen.
»Es tut mir wirklich leid, wenn ich Sie geweckt haben sollte«, beteuerte sie und heuchelte Bedauern, wenngleich, wie man zugeben musste, auf recht überzeugende Art und Weise. »Mr Argeneau hat zwar gesagt, dass Sie letzte Nacht erst spät eingetroffen sind und vermutlich den ganzen Tag über schlafen würden, aber daran habe ich nicht mehr gedacht, als ich mit dem Staubsaugen anfing.«
Mit Mühe gelang es Eshe, der Frau vorzuspielen, dass sie ihr jedes Wort glaubte, und sie brachte sogar ein Lächeln zustande. »Das ist nicht so schlimm, ich … Augenblick mal, sagten Sie gerade, Sie haben mit Armand gesprochen? Dann ist er bereits aufgestanden?«
»O ja. Er war schon auf, als ich herkam, was für ihn sehr ungewöhnlich ist. Aber nachdem Paul so überraschend gekündigt hat, weil er sich um seine Familie kümmern muss, ist Mr Argeneau gezwungen, sich selbst um die Tiere zu kümmern. Der arme Mann. Hoffentlich findet er schnell einen Ersatz für Paul. Wenn nicht, wird er bald damit überfordert sein, sowohl die Farm zu verwalten als auch seine tägliche Kolumne für die Zeitung zu schreiben.«
»Seine tägliche Kolumne für die Zeitung?«, wiederholte Eshe erstaunt. Davon hatte Lucian kein Wort gesagt. Es war nur die Rede davon, dass er eine Farm hat.
»O ja, meine Liebe.« Die Frau strahlte so voller Stolz, als wäre sie Armands Mutter. »Wussten Sie das nicht? Er ist ein richtiger Prominenter in unserer Stadt. Jeden Tag schreibt er einen Artikel, und die Leser sind ganz begeistert. Wie ich gehört habe, liegt das Talent in der Familie. Ein Neffe von ihm schreibt Romane, müssen Sie wissen, aber Armand sagt, es fällt ihm schon schwer genug, sich jeden Tag ein neues Thema auszudenken, und er könnte sich nicht vorstellen, ein ganzes Buch zu verfassen. Aber er kann gut schreiben«, beteuerte sie und fuhr dann fast entschuldigend fort: »Allerdings ist er ein wenig exzentrisch, denn er arbeitet nur nachts, und den Tag über schläft er. Und nach allem, was ich beobachtet habe, isst er so wenig, dass nicht mal ein Vogel davon satt werden könnte. Aber von Doris weiß ich, dass die meisten Schriftsteller ein bisschen anders ticken als Sie und ich, und Doris muss es wissen, weil sie ein Buch über das Leben von Hemingway gelesen hat … Ich meine jedenfalls, dass es um Hemingway ging. Kann auch ein anderer gewesen sein«, überlegte sie, machte dann aber eine wegwerfende Geste und sagte: »Ich weiß es nicht mehr so genau, aber ich erinnere mich, dass es um einen richtigen Schwerenöter ging. Drogen und Sex und … na ja, wenigstens hat unser junger Freund Armand mit solchen Sachen nichts am Hut.« Ihre eigenen Worte brachten sie ins Grübeln, und dann korrigierte sie sich: »Jedenfalls macht er sich nichts aus Drogen. Beim Sex nehme ich an, dass er daran genauso viel Spaß hat wie jeder Mensch. Allerdings haben wir uns schon so unsere Gedanken gemacht, weil er nie Damenbesuch bekommt und weil er auch keine der Frauen aus der Gegend zu sich einlädt. Doris ist davon überzeugt, dass er schwul ist und einen ›Bekannten‹ in der Stadt hat, den er ab und zu heimlich besucht. Aber jetzt kann ich ihr ja
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