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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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Busfenster und gähnte. Opelika, Alabama. Nicht gerade eine Stadt, die ganz oben auf seiner Wunschliste stand. Eine Tankstelle, ein Supermarkt, ein Waschsalon, etliche Kneipen und Spirituosenläden, ein paar Restaurants und natürlich eine nicht gerade kleine Baptistenkirche. Der Rest bestand aus einem Spielplatz, einem Baseballplatz, einer Schule, ein paar Gestüten sowie bescheidenen, leicht verkommenen Wohnhäusern mit mindestens einem halben Kilometer Abstand zueinander und hektarweise Getreidefeldern. Die meisten Orte, durch die er heute gefahren war, sahen genauso aus wie Opelika. Kleine Käffer voller einfacher Leute mit müden Gesichtern, die jeden, den sie nicht kannten, misstrauisch musterten. Denn wen man an einem Ort wie Opelika nicht kannte oder irgendwie zur Familie rechnen konnte, der war ein Fremder, und das hieß, ihm war nicht zu trauen.
    Bill streckte sich und drehte sich wieder vom Fenster weg. Gar nicht so verkehrt, der Gedanke.
    An Orten wie Opelika fielen mürrische Fremde besonders auf. Bill lächelte die alte Dame auf der anderen Seite des Busses an, die gerade den Wollmist, an dem sie seit fast fünfhundert Kilometern herumstrickte, in ihrer Einkaufstasche verstaute. Sie lächelte nicht zurück.
    «Darf ich Ihnen helfen?», fragte er und stand rasch auf, als er sah, wie die Enkelin der Alten Anstalten machte, ihren Rucksack und weitere Taschen aus dem Gepäckfach herunterzuhieven. «Die sehen ganz schön schwer aus.»
    «Vielen Dank», sagte Oma und nickte der Enkeltochter aufmunternd zu. Bill vermutete, dass sie noch auf der Schule war. Allenfalls College. Wobei man von der Größe her meinen könnte, sie wäre älter. Ihre langen, braunen Beine schienen gar kein Ende zu nehmen, was sicher an den superkurzen Shorts lag.
    «Immer gerne.» Bill griff nach der Reisetasche und streifte dabei den Rücken des jungen Mädchens. Ihr Haar roch nach Erdbeeren. «Sie erinnern mich an meine Tochter», sagte er, als er ihr das Gepäck reichte. «Sie müssten etwa im selben Alter sein. College, richtig? Sind Sie so um die zwanzig?»
    Das Mädchen strahlte und wurde rot.
    «Noch nicht ganz», warf die Großmutter ein. «Und so eilig braucht sie es auch gar nicht zu haben. Müssen Sie sich nicht auch was runterholen?»
    Nett formuliert, Oma . «Ich fahre noch weiter bis Atlanta», erwiderte Bill.
    «Na, dann. Marcy und ich haben es schon geschafft. Ihr Papa wartet draußen. Vielen Dank noch einmal, Sir. Und gute Reise weiterhin.»
    Bill nickte und setzte sich wieder auf seinen Platz. Er rückte sich die Brille auf der Nase zurecht, strich sich mit der Hand über den glattrasierten Schädel und sah zu, wie Marcy in ihrer abgeschnittenen Jeans und dem enganliegenden Kapuzenshirt ihrer Oma aus dem Bus half.
    Er fragte sich, wann man ihn in Miami wohl vermissen würde. Ob man überhaupt schon was gemerkt hatte. Spätestens, wenn der Hurrikan wieder abgezogen war, wenn die braven Bürger von Miami ihre Gerichtssäle wieder aufgebaut und alle Strafgefangenen in den richtigen Käfig zurückverfrachtet hatten und man den armen «Willie R. Bantling» in Hand- und Fußschellen vor Gericht brachte und ihm eröffnete, dass ihm auf einmal die Todesstrafe blühte – spätestens dann würde das Geschrei losgehen. Der arme Willie R., der sich wahrscheinlich nichts weiter hatte zuschulden kommen lassen als einen Einbruch oder einen Raub oder allenfalls, seine Frau windelweich geprügelt zu haben, würde einen Heidenaufstand machen. Und die Ankläger, die Gefängniswärter, die Richter – alle sähen sie sich an und fragten sich, ob das wohl ein Witz sein sollte? «Wo ist Bantling?», würde jemand brüllen, worauf einer der Typen in ihren gammlig-grünen Uniformen unsicher erwidern würde: «Aber das ist doch Bantling.» Und dann käme die Panik. «Das ist nicht Bantling. William Rupert Bantling, geboren am 7. Januar 1961? Wer ist der Mann hier?» Anschließend würden alle durcheinanderbrüllen, und die Schuldzuweisungen würden losgehen. Köpfe würden rollen. Und die Miene des stellvertretenden Oberstaatsanwalts wäre mit Sicherheit unbezahlbar. Hoffentlich hatte jemand im Gerichtssaal eine Kamera dabei und machte ein Foto, dann konnte Bill es vielleicht wenigstens irgendwo in den Nachrichten sehen. Denn die Sache käme mit Sicherheit in die Nachrichten. Cupido auf freiem Fuß! Alle Mann an die Torpedos! Macht die Luken dicht! Frauen und Kinder zuerst!
    Aber vielleicht ja auch nicht. Bill hatte den Eindruck, als

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