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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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hätte dieser schlaue Staatsanwalt noch das eine oder andere Ass im Ärmel. Mr. Chief Assistant Collier wollte seinen Pakt mit dem Teufel schließlich schön für sich behalten, so lange, bis er eine große Pressekonferenz einberufen und verkünden konnte, dass seine Abteilung ein Dutzend Mitglieder eines Snuff-Clubs ausgehoben hatte. Womöglich kam also doch nichts in den Nachrichten. Umso besser. Bill legte keinen Wert darauf, seinen Namen in der Zeitung zu lesen.
    Er schob die Hand in die Tasche und tastete nach der zusammengefalteten Zeichnung. Durchs Fenster sah er, wie Marcy und ihre Großmutter langsam den Haltebahnhof durchquerten und auf ein wartendes Auto zugingen. Ein älterer Mann – vermutlich Papa, in Unterhemd und Jeans – stieg aus und wuchtete ihr Gepäck in den Kofferraum. Er kratzte sich am Bauch, dann gab er seiner Mama einen Kuss. Und Klein Marcy lehnte die ganze Zeit am Wagen, ein langes, braunes Bein hochgestellt, und tippte auf ihrem Handy herum, ohne etwas um sich herum wahrzunehmen. Das lange, weißblonde Haar fiel ihr bis über die Schultern. Bill zog die Zeichnung aus der Tasche und legte sie sich auf den Schoß. Er hatte einen Ständer. Schon seit dem Moment, als Klein Marcy in ihrem kurzen Höschen aufgestanden war. Er betrachtete das jämmerliche, schöne Gesicht, das da auf seinen Schenkeln lag und mit verängstigten Augen zu ihm hochschaute. Mit dem Daumen strich er darüber. Der Bleistift verwischte.
    Dann stand er auf, griff seine Tasche aus dem Gepäckfach und sprang in dem Moment aus dem Bus, als alle Passagiere, die nach Atlanta wollten, gerade wieder einstiegen.

41
    W ir haben alles genauso gelassen, wie wir’s vorgefunden haben», erklärte Tru Zeffers, als er Manny Alvarez und Mike Dickerson in Bill Bantlings ehemalige Zelle im Todestrakt führte. «Nichts angerührt. Dass Sie das interessieren könnte, dachten wir uns nämlich schon, bevor wir gehört hatten, dass er weg ist.»
    Tru war auf hundertachtzig gewesen, als er hörte, dass Bill Bantling in Miami verlorengegangen war. Er war immer noch stinksauer. Aber irgendwie musste er doch ein bisschen grinsen, als die arroganten Anzugträger aus Miami jetzt mit hochroten Köpfen und wie begossene Pudel vor ihm aufmarschierten – allen voran dieser Schrank von Detective, Manny Alvarez, und sein tatteriger Partner. Eigentlich hatte Tru ja gehofft, sie würden Oberstaatsanwalt Collier mitbringen, mitsamt seinem schicken Anzug und den blankpolierten Schuhen und seiner ganzen neunmalklugen, aufgeblasenen Art. Der sollte ruhig noch mal «Redneck» vor sich hin murmeln, wenn er an Tru vorbeiging. Na, Chef, wer von uns beiden schmiert hier jetzt ab? Warten Sie mal, bis rauskommt, wen Sie da auf die Menschheit losgelassen haben …
    Die Häftlinge hatten auch bei Tru schon allen möglichen Scheiß versucht, aber in den fünfzehn Jahren, die er jetzt im Todestrakt arbeitete, war keiner dieser Scheißkerle an ihm vorbeigekommen. Nicht einer. Sollten die Mordermittler und Staatsanwälte ruhig glauben, dass Trus Sicherheitsvorkehrungen für die Insassen übertrieben oder nichts als Show waren – aber ein Wärter im Todestrakt durfte eben nie vergessen, mit wem er es zu tun hatte. Spielräume waren einfach nicht drin. Die schweren Jungs hier im Gefängnis hatten nichts mehr zu verlieren – selbst ihr Recht auf Sauerstoff hing vom Gutdünken irgendeines Richters in Tallahassee, Atlanta oder Washington ab. Tru wusste ganz genau, dass man solches Pack wie Bill Bantling nicht unterschätzen durfte. O ja, das war ein ganz Gewiefter. Der Schönling vom Dienst, nicht auf den Mund gefallen. Und ständig auf der Suche nach irgendeinem Ausweg, nach einer Fluchtmöglichkeit. So einer schnitt einem auch die Kehle durch, wenn sich ihm dafür die Gelegenheit bot, durch die Gitterstäbe zu schlüpfen. Und hatte nicht mal ein schlechtes Gewissen dabei.
    «Ach du Schande!», rief Mike Dickerson, als sie die Zelle betraten, die sieben Jahre lang Bill Bantling gehört hatte.
    «Das kannst du laut sagen», meinte Manny. Er steuerte direkt auf das leere Bett zu, wo Bantling bisher geschlafen hatte. Die Kunststoffmatratze lehnte neben dem festgedübelten Bettgestell aus Metall an der Wand. Und auf dem Bettgestell lagen Bilder. Zeichnungen, Skizzen. Manny nahm eine in die Hand und betrachtete sie. Dann nahm er eine weitere. Und noch eine. Alle Bilder, fünfzehn insgesamt, zeigten dieselbe Frau. Auf manchen Zeichnungen war sie nackt und gefesselt und wurde

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