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Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Aristoteles: Grundwissen Philosophie

Titel: Aristoteles: Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Detel
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proportional zu den Bewegungsursachen (den Kräften) verhalten. Je größer die wirkende Kraft ist, desto heftiger ist die Bewegung und desto größer ist die resultierende Geschwindigkeit. Allgemein hat dann jede Bewegung mindestens eine Ursache (Phys. VIII 4, 255b); Bewegungen ohne Ursache sind in diesem Rahmen nicht vorstellbar.
    Aristoteles schlägt drei grundlegende Unterscheidungen zwischen verschiedenen Arten von Bewegungen vor (Phys. III 1). Da gibt es erstens
natürliche
und
gewaltsame Bewegungen
: Wenn x die Form y annimmt und y zur Natur von x gehört, so erfolgt dieses Werden und diese Bewegung aus einem inneren, für x spezifischen Bewegungsprinzip; wenn dagegen y nicht zur Natur von x gehört, so ist dieses Werden und diese Bewegung gewaltsam und erfolgt aus einem externen, für x nicht spezifischen Bewegungsprinzip heraus.
    Zweitens unterscheidet Aristoteles vier Bewegungsarten:
quantitative
Bewegung (Wachstum, Schrumpfung),
qualitative
[39] Bewegung (Formwechsel),
räumliche
Bewegung (Ortswechsel) und
ontologische
Bewegung (Entstehen, Vergehen). Nicht nur qualitative und ontologische Bewegung genügen, wie eben gezeigt, der allgemeinen Bewegungsdefinition, sondern auch quantitative und räumliche Bewegung, insofern Quantität und räumliche Position ebenfalls Arten von Formen sind.
    Und es gibt drittens
einfache
und
zusammengesetzte Bewegungen
, da es einfache und zusammengesetzte Linien gibt: Kreisförmige und gerade Linien bzw. Bewegungen sind einfach, alle anderen Linien bzw. Bewegungen sind aus den einfachen zusammengesetzt. Die kreisförmige Linie bzw. Bewegung ist zugleich perfekt (vollkommen), da sie immer wieder in sich zurückkehrt.
    Bewegung setzt in gewisser Weise Raum und Zeit voraus, denn sie vollzieht sich stets in Raum und Zeit; und da Raum und Zeit Kontinua sind, die potenziell unendlich teilbar sind, ist auch Bewegung ein Kontinuum. Hier lässt Aristoteles seinen neuen Begriff der potenziellen Unendlichkeit in die Analyse einfließen (Phys. I 2, 185b; VI 1, 231b), wie er bis heute vor allem in der Differenzial- und Integralrechnung benutzt wird: Dass beispielsweise im Intervall zwischen 0 und 1 die rationalen Zahlen potenziell unendlich sind, bedeutet, dass in einem beliebig kleinen gegebenen Teilintervall immer noch eine rationale Zahl gefunden werden kann.
    In diesem Zusammenhang ist eine Analyse der Begriffe von Zeit und Raum erforderlich. Ausgangspunkt dieser Analyse sind die Annahmen, dass Körper sich im Raum bewegen (aber der Raum bleibt), dass verschiedene Körper nacheinander im selben Raum sein können und dass der Raum nicht unabhängig von Körpern existiert. Der Raum eines Körpers ist daher nicht die Grenze des Körpers, sondern die innere Grenze jenes Körpers, der den gegebenen Körper umschließt. Der Raum im Ganzen bildet dann die Grenze der Welt. Daraus folgt: Es gibt weder außerhalb noch innerhalb des Universums einen leeren Raum (Phys. IV 1–4). Zur Bestätigung dieser »Plenismus« [40] genannten Theorie führt Aristoteles eine amüsant falsche Behauptung ein: Die Geschwindigkeit ist entweder der Quotient oder die Differenz aus Kraft und Widerstand des Mediums; daher wäre die Geschwindigkeit von Körpern im leeren Raum entweder unendlich groß oder für alle gleich, und das ist absurd (Phys. IV 8, 216a).
    Bewegungen haben ein Vorher und Nachher, getrennt durch das Jetzt; die genauere zeitliche Beschreibung einer Bewegung besteht in einer Einteilung in Zeitintervalle, anhand deren wir Bewegungsabschnitte zählen können. Zeit ist insofern im allgemeinsten Sinne die Zahl der Bewegung. Raum und Zeit sind dementsprechend nicht starre Gebilde,
in
denen Körper sind, wie in der frühmodernen Physik, sondern sind Aspekte an bewegten Körpern, ähnlich wie in der relativistischen Physik.
    Aus heutiger Sicht wirkt diese Bewegungslehre und die damit verbundene grundsätzliche Einstellung zum Status und Forschungsprogramm der Physik vielleicht befremdlich. Aber wir müssen uns vergegenwärtigen, dass diese Annahmen empirisch gut gestützt zu sein scheinen. Die Proportionalität zwischen Kraft und Geschwindigkeit scheint sich an vielen Phänomenen zu zeigen: Je mehr Kraft wir etwa aufwenden, um einen Wagen zu schieben, desto schneller bewegt er sich; analog sollte es sich auch mit den inneren Kräften verhalten. Und obgleich es offenbar viele Fälle von externer Krafteinwirkung gibt, können wir doch auch beobachten, dass beispielsweise Feuer nach oben steigt oder Steine

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