Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Alessandro Carnevare mehr als mir?«
Rosa seufzte. »Wie oft haben wir uns gesehen, Florinda? Dreimal, viermal? Ich kenne die Putzfrauen im Palazzo besser als dich.« Sie erwartete, dass ihre Tante ihr ins Wort fallen würde, aber Florinda schwieg. »Und was Alessandro angeht: Er hat mir einiges erklärt, was ich von dir hätte erfahren sollen. Das spricht für ihn, findest du nicht?«
»Du hättest mir nicht geglaubt, wenn ich dir gleich alles erzählt hätte. Außerdem, dein Zustand war –«
»Ich hab mein Kind töten lassen. Wenn ich damit fertig werde, dann verkrafte ich wohl auch, dass ich mich jeden Moment in eine Scheißschlange verwandeln kann.« Es kam nicht halb so lakonisch heraus, wie sie gehofft hatte.
»Du bist nicht damit fertig geworden. Deshalb bist du zu uns gekommen, schon vergessen?«
Sie schloss die Augen, um sich zu beruhigen. Betont kühl sagte sie: »Da ist etwas, das ich tun muss. Aber wenn dieses Tribunal über Dinge entscheidet, die ich angeblich verbrochen habe, dann sollte ich besser dabei sein.«
»Nein«, sagte Florinda entschieden. »Das erledigen wir für dich. Hör mir jetzt gut zu, Rosa. Cesares Einfluss hat seine Grenzen. Folgendes wird geschehen: Das Tribunal wird unsfreisprechen, weil das Konkordat von einer Außenstehenden gebrochen wurde, nicht von einer Alcantara. Lilia steht nicht auf unserer Lohnliste.« Kühl sagte sie, vom Hörer abgewandt: »Jedenfalls auf keiner, von der ich etwas wüsste.«
Rosa ballte die Hand zur Faust. »Das hast du gerade nicht wirklich gesagt, oder?«
»Halt du dich –«
»Miststück.«
Florinda atmete tief durch, ein gefährliches Zischen in der Leitung. »Wir können also nicht zur Verantwortung gezogen werden. Cesare weiß es noch nicht, aber mehrere der Männer, die dabei waren, werden zu deinen Gunsten aussagen.«
Rosa begriff, was das bedeutete. »Pantaleone hat seine Finger im Spiel.«
»Er ist noch immer der capo dei capi . Und ein Freund der Alcantaras.«
Alessandro legte ihr die Hand auf den Oberschenkel und deutete durch die Windschutzscheibe. Der Wagen bog in eine gepflegte Eichenallee ein. Hinter den Bäumen sah man barocke Villen, Fassaden mit aufwendigen Bildhauereien. Gleich da , formte er stumm mit den Lippen. Sie nickte.
Zu Florinda sagte sie: »Ich sollte trotzdem dabei sein. Wenn das Tribunal deinen gekauften Zeugen nicht glaubt –«
»Wird es dir erst recht keinen Glauben schenken. Aber die beiden werden sehr überzeugend sein. Abgesehen davon haben wir Beweise dafür, dass die Waffe Lilia gehört hat.«
»Was für Beweise?«
»Erklär du es ihr, Zoe.« Florinda gab das Telefon weiter.
»Lilia hatte einen Waffenschein«, sagte Zoe kurz darauf. »Sie hat sie legal gekauft, mit Vertrag und allem. Mit unseren Geschäften wollte sie nie was zu tun haben.« Zoes Stimme begann wieder zu zittern.
»Du wirst vorerst nicht herkommen«, meldete sich abermals Florinda. »Erst, wenn diese Sache vorbei ist. Das Tribunalder Dynastien wird morgen bei Tagesanbruch zusammenkommen. Zoe und ich fahren hin und verteidigen unsere Familie. Cesare wird eine Niederlage einstecken, aber das Tribunal wird sie ihm versüßen, indem es den Carnevares nahelegt, ihn zu ihrem neuen capo zu wählen – was er, genau genommen, ohnehin schon seit Jahren ist. Weder der Baron noch dein Freund haben das wahrhaben wollen.«
»Sie werden Cesare morgen zum capo erklären? Ist das ganz sicher?«
»Es wird wohl so kommen.«
Wenn tatsächlich zu Ehren des neuen Familienoberhaupts die Menschenjagd auf Iole stattfinden würde, dann blieb ihnen nicht mehr viel Zeit.
»Ich muss jetzt Schluss machen«, sagte sie.
»Bitte, Rosa – komm nicht her. Versprich mir das.«
»Was wäre das wohl wert«, entgegnete sie bissig, »wo wir doch alle immer so ehrlich zueinander sind?«
»Ich habe Pantaleone versprochen, dass ich dich aus aller Gefahr heraushalte. Und ich gedenke mich daran zu halten.«
Was hatte der alte Mann aus der Waldhütte nur für ein Interesse an ihr? Und was genau hatte er noch zu ihr gesagt? Sie erinnerte sich nicht mehr daran, zu viele andere Dinge drangen auf sie ein.
»Okay«, sagte sie leise. »Wenn ihr das wirklich so wollt, dann komme ich vorerst nicht nach Hause.«
Florinda atmete auf. »Ich will nur nicht, dass dir etwas zustößt.«
»Willst du das – oder Pantaleone?« Und damit trennte sie die Verbindung und ließ das Handy erschöpft auf ihren Schoß sinken.
»Da vorn muss es sein«, sagte Alessandro.
s
Die
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