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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sich Regenwasser von der Stirn. »Da hat draußen die Sonne geschienen. Wir haben gar kein Licht eingeschaltet.«
    Er ging durch die weite Diele zu einem anderen Schalter und betätigte ihn. Nichts. Durch das Milchglas der Halbschalenlampen war nicht zu sehen, ob die Glühbirnen beschädigt oder entfernt worden waren.
    Er fluchte und versuchte es im Nebenzimmer, mit demselben Ergebnis.
    Der Regen prasselte gegen die Fensterfronten, das dumpfe Trommeln kam aus allen Richtungen zugleich. Die Wasserschlieren auf dem Glas marmorierten die Räume mit fließenden Schatten.
    Rosa ließ den Lichtkreis des Strahlers umherwandern. »Iole?«, rief sie erneut, diesmal lauter. »Wir sind es. Rosa und Alessandro!« Mit einem Mal war sie nicht sicher, ob sie dem Mädchen überhaupt ihre Namen genannt hatten.
    Als auch jetzt keine Antwort kam, versuchte sie sich zu erinnern, in welche Richtung die Kette an Ioles Fußgelenk geführt hatte. Nicht zum Salon mit der Treppe nach oben, sondern in eines der Zimmer auf der rechten Seite der Diele.
    Alessandro war bereits dort und schaute sich um. Im Gehen zog er den Regenmantel aus. Das steife Gummigewebe sank auf einen gelb-roten Teppich, fiel nur halb in sich zusammen und kauerte da wie ein buckliger Gnom. »Vielleicht versteckt sie sich.«
    Sie warf ihm einen düsteren Seitenblick zu. »Vielleicht.«
    »Nie im Leben hat Cesare so schnell jemanden hergeschickt.«
    »Und Tano?«
    Bilder wie Blitzlichter. Der Tiger mit Menschenaugen. Gelblicher Fellflaum auf Tanos Rücken, während des Kampfes unten am Strand. Und die Schwärze, die sich über Alessandros Körper geschoben hatte. Seine riesigen Pupillen.
    Sie würde diese Insel nicht verlassen, solange er ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte.
    Alessandro hielt ihrem forschenden Blick stand. »Ich weiß nicht, was hier passiert ist. Möglich, dass sie Iole geholt haben. Vielleicht auch Schlimmeres. Oder sie versteckt sich irgendwo im Haus.«
    »Sie war angekettet. Wie schwierig kann es da sein, sie zu finden?« Ungeduldig setzte sie sich in Bewegung. Auch die Kapuze hatte nicht verhindern können, dass ihr das blonde Haar nass auf Schultern und Stirn klebte. Unwirsch schob sie sich die Strähnen aus den Augen. Sie begann zu frieren, weil auch die schwarzen Strumpfhosen unter ihrem Mini völlig durchnässt waren. Hauptsache, gut gekleidet, dachte sie lakonisch.
    »Lass mich vorgehen.« Er trat an ihr vorbei. »Ich weiß, wo wir anfangen.«
    »Wir hätten gleich versuchen sollen, ihr die verdammte Kette abzunehmen.«
    »Ohne Werkzeug?«
    »Ich weiß. Es ist nur … Wir hätten sie nicht hier zurücklassen dürfen.«
    »Suchen wir erst mal weiter.«
    Sie folgte ihm und ließ den Lichtschein über all die Stellen wandern, die er ausließ. Vor allem suchte sie den Boden ab. Die Kette war dünn gewesen, aber nicht zu übersehen. Iole konnte sich nicht hinter Möbeln oder in irgendwelchen Ecken verstecken, ohne dass die silberne Fessel sie verriet.
    Sie durchquerten mehrere Salons und Empfangszimmer, alle voll mit kruden Siebzigerjahremöbeln, von klobigen Sitzsäcken über durchsichtige Kunststoffsofas bis hin zu erstarrten Lavalampen.
    Und überall die riesigen Fensterscheiben, vom Boden bis zur Decke. Dahinter die Nacht und der strömende Regen, aufgehellt von Blitzen. Schattenschlieren, die von den gegenüberliegenden Wänden flossen und über den Boden Richtung Fenster quollen.
    Draußen rührte sich etwas. Erst glaubte sie, es sei nur ihr Spiegelbild in der Scheibe. Dann erkannte sie, dass sich etwas hinter dem Glas befand, etwas Niedriges. Nicht klein , nur geduckt. Auf allen vieren.
    Instinktiv schaute sie sich um, blickte zurück durch die offenen Durchgänge von einem Zimmer ins andere, entdeckte weit entfernt den schwarzen Kapuzengnom.
    »Rosa!« Alessandros Stimme war erschreckend weit entfernt. Er hatte nicht bemerkt, dass sie stehen geblieben war. Der Schein seiner Lampe verriet, dass er bereits das übernächste Zimmer erreicht hatte. Ihn selbst konnte sie nicht sehen. Nur sein zuckendes Licht.
    »Hier drüben!«, rief er. »Schau dir das an.«

Jagdtrieb
    E in kleines Zimmer im Erdgeschoss. Womöglich das einzige im ganzen Haus, das keine Fenster besaß, nur ein verriegeltes Oberlicht.
    Der Raum lag hinter der geräumigen Küche, die Rosa zuvor durchquert hatte, und musste einmal die Speisekammer gewesen sein.
    Jetzt war er eine Gefängniszelle.
    An einer Wand stand ein Bett mit zerwühlter Decke und speckigem Kopfkissen. Die

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