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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Brüllen.
    Diesmal im Haus.
    »Er hat sie reingelassen.« Alessandro blieb stehen und horchte. Seine Körperhaltung war sonderbar. Leicht vorgebeugt, lauernd. Wie ein Tier, das Witterung aufnimmt.
    Sie fror jetzt stärker, ein Zittern durchlief ihre Glieder.
    »Wer auch immer für die Tiere sorgt, er gehört zu Cesares Leuten«, murmelte er. »Wahrscheinlich hat er ihn angerufen und ihm erzählt, dass wir hier sind.«
    »Und Cesare hat ihm befohlen, uns diese Biester auf den Hals zu hetzen?«
    »Vielleicht, um dir Angst einzujagen. Oder um uns beide umzubringen.« Er blickte sie fragend an. »Hast du dein Handy dabei?«
    »Nein.« Sie hatte es am Morgen auf ihrem Bett im Palazzo liegenlassen.
    »Dann wird diesmal kein Hubschrauber auftauchen, der dich hier rausholt.«
    »Wie meinst du –« Sie verstummte, als ihr die Wahrheit dämmerte. »Du glaubst, deshalb wussten sie, dass ich bei euch war?«
    »Ich wette, es war ein Geschenk, oder? Gleich nach deiner Ankunft.« Er schnaubte bitter, während er hinüber zu einer Treppe ins Obergeschoss deutete und loslief. »Dort hoch, komm mit!«
    »Sie haben … Du meinst, da ist ein Sender in dem Scheißding?«
    »Natürlich.« Er kam zurück, packte ihre Hand und zog sie ungeduldig mit sich zur Treppe. »Das ist innerhalb der Familien nichts Ungewöhnliches. Kinder der Clans werden oft entführt oder versuchen abzuhauen. Manche Eltern lassen ihren Töchtern und Söhnen sogar winzige Sender unter der Haut einpflanzen, um sie im Ernstfall wiederzufinden.«
    Einen Augenblick lang folgte sie ihm wie in Trance. Um sie drehte sich das enge Treppenhaus. Sie fühlte sich von Zoe verraten, von Florinda. Auch von ihm? Sie war sich immer weniger im Klaren über ihre eigenen Gefühle.
    Im ersten Stock blieb Alessandro stehen. Legte einen Zeigefinger an ihren Mund. Nicht sprechen , formte er stumm mit den Lippen.
    Sie standen in einem Korridor. Durch offene Türen fiel mattes Grau. Regen hämmerte auf Glas.
    Etwas bewegte sich am Ende des Flurs. Erstarrte und stand da. Rosa sah nur eine schwarze Silhouette. Unmöglich zu erkennen, was genau es war. Ein Tiger. Eine Löwin. Als ob es eine Rolle spielte, was sie zerfleischte.
    Die Raubkatze horchte mit aufgerichteten Ohren. Ein langer Schwanz schwang langsam hin und her, ein Zeichen größter Anspannung.
    Alessandro und sie rührten sich nicht vom Fleck. Das Trommeln des Regens musste auch das Tier irritieren. Noch hatte es die beiden offenbar nicht als Beute erkannt.
    Jetzt setzte sich die Katze wieder in Bewegung. Kam den Korridor herab, mit einer gleitenden, lautlosen Eleganz, so majestätisch wie mörderisch.
    Alessandro ließ Rosas Hand los.
    Das Tier verschwand in einem der Türdurchgänge. Es würde nicht lange in dem Zimmer bleiben, wenn es dort nichts entdeckte.
    Alessandro gab ihr einen Wink, aber sie war schneller. Schon huschte sie in entgegengesetzter Richtung den Gang hinunter. Er folgte ihr in den Raum, ein Gästezimmer mit fehlender Badtür. Sonderbar, dass auch aus allen Schlafzimmern die Türen entfernt worden waren. Sie musste an manche Bauten in Zoogehegen denken. Ein Spielplatz für Tiere, um sich darin zu verstecken und zu jagen. War es das, wozu dieses Haus gedient hatte, bevor Iole hier versteckt worden war?
    »Zum Fenster«, flüsterte Alessandro und lief voraus.
    Sie rechnete damit, dass es sich nicht öffnen lassen würde.Aber er musste nur den Hebel drehen und schon schwang die Scheibe nach innen. Regen prasselte herein, der Geruch von nassem Gestein. Sie befanden sich in einem Seitentrakt der Villa, unterhalb des Fensters sah Rosa zerklüfteten Lavaboden. Eine Mauer wie an der Vorderseite war von hier aus nicht zu sehen; wahrscheinlich lag sie weiter entfernt im Dunkeln.
    »Kannst du da runterspringen?«, fragte er leise.
    Sie blickte über die Schulter zur Türöffnung. Falls sich dort etwas auf Samtpfoten näherte, würde es sich nicht mal durch einen Schatten ankündigen, weil es so dunkel war.
    Sie nickte gehetzt. Das hier war der erste Stock, dort unten glitzerte blanker Fels. Aber das Fenster reichte fast bis zum Zimmerboden, alles in allem waren es keine drei Meter.
    »Ich kann als Erster springen und versuchen dich aufzufangen«, schlug er vor.
    Der Gedanke, wie eine eingeschüchterte Prinzessin in seinen Armen zu landen, war so albern, dass sie beinahe lächeln musste. Sie schüttelte den Kopf, stieg an ihm vorbei auf den schmalen Sims, suchte die Umgebung nach heranschleichenden Tieren ab – und

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