Arkadien 01 - Arkadien erwacht
gab den Blick frei auf grauen Marmor und silberne Armaturen.
Unter der Decke hingen zwei Überwachungskameras. Die Kabel, die von ihnen fortführten, waren durchtrennt worden.
»Was ist das hier?«, fragte Rosa.
»Manchmal ist es nötig, dass Familienmitglieder für eine Weile untertauchen«, antwortete Alessandro, »damit die Polizei sie nicht findet. Von der Burg aus muss man durch zwei Geheimtüren, um herzugelangen. Dieser Raum ist lange nicht mehr benutzt worden. Angeblich hat sich vor Jahren auch mal der Hungrige Mann hier versteckt. Das muss kurz vor seiner Verhaftung gewesen sein.«
»Sie haben ihn hier bei euch verhaftet?«
Er schüttelte den Kopf. »In Gela, soweit ich weiß. Aber das hier war eines seiner letzten Verstecke.«
»Dann wart ihr so was wie seine Vertrauten.«
»Das Gleiche, was die Alcantaras jetzt für Salvatore Pantaleone sind.« Er sah aus, als wäre ihm unwohl bei dieser Antwort.
Allmählich verstand sie. »Kein Wunder, dass Cesare uns hasst. Die Alcantaras haben den Carnevares ihren Sonderstatus als engste Verbündete des capo dei capi weggeschnappt.«
»Das ist nicht der einzige Grund.«
Sie wartete, aber er gab keine weiteren Erklärungen.
»Wenn ihr seine Vertrauten wart, warum fürchtet ihr ihn dann genauso wie alle anderen?«, fragte sie schließlich.
»Weil er uns die Schuld an seiner Verhaftung gibt. Er glaubt, dass ein Carnevare ihn verraten hat.« Alessandro verzog das Gesicht. »Falls er wirklich zurückkehrt und seine Anhänger unter den Clans ihm treu geblieben sind, dann bekommen wir ein Problem. Noch eins.«
Iole setzte sich federnd auf ihr Bett, zog die Knie an und schlang die Arme um die Beine. »Meins!«, verkündete sie, als hätte das jemand in Frage gestellt. Dass sie nur ein Gefängnis gegen ein anderes eingetauscht hatte, schien sie nicht zu bekümmern.
Alessandro bemerkte Rosas Blick und senkte die Stimme. »Ich wollte sie fortbringen, aber ich wusste nicht, wohin mit ihr. Es gibt noch immer einen letzten überlebenden Verwandten, und wenn ich herausfinde, wo er steckt, kann ich sie zu ihm bringen. Bis dahin muss sie wohl oder übel hierbleiben.«
»Was ist mit der Polizei? Könnten die ihr nicht helfen?«
»Cesare würde davon erfahren. Er zahlt Bestechungsgelder an Polizisten auf der ganzen Insel. Und er würde nicht zulassen, dass Iole frei herumläuft und womöglich mit Richtern und Staatsanwälten spricht. Im Augenblick glaubt er, sie sei ihm ohne fremde Hilfe entwischt. Seine Leute suchen sie noch immer in den Madonien. Sie hatten sie dort in einer Berghütte versteckt, nachdem sie sie von der Insel geholt haben.«
»Und du hast sie da rausgeholt?«
Iole kam ihm zuvor. »Er ganz allein. Das war sehr mutig von ihm.«
Rosa legte den Kopf schräg und musterte Alessandro. »Ja, das war es wirklich.«
Er wich ihrem Blick aus und schloss die Tür des Apartments. »Ich hab vorsichtshalber die Kabel der Kameras durchgeschnitten, aber das wird niemandem auffallen. So lange, wie hier niemand mehr untergebracht war, müsste es schon ein dummer Zufall sein, wenn ausgerechnet jetzt jemand auf die Idee käme, den Raum zu kontrollieren.«
Rosa wand sich unbehaglich. »Ich weiß, du meinst es gut … Aber ich kann hier nicht bleiben. Ich werde wahnsinnig, wenn ich nicht bald was von Zoe höre.«
»Hier unten gibt’s keinen Handy-Empfang«, sagte er bedauernd. »Wir sind tief im Fels und selbst in den oberen Etagen sind die Burgmauern fast einen Meter dick.«
»Großartig.«
»Ich kümmere mich darum«, versprach er. »Ich werd versuchen Zoe zu erreichen. Bleib wenigstens, bis ich weiß, was Cesare vorhat. Er wird es eilig haben, das Tribunal einzuberufen. Vorhin, als er und die anderen angekommen sind, ist er einfach an mir vorbeigestürmt. Er hat nicht mal gefragt, wohin ich dich gebracht habe.«
Sie rümpfte die Nase. »Vielleicht will er nur nicht länger in einem Bademantel rumlaufen.«
Alessandros Mundwinkel zuckten. »Möglich.«
Während sie noch überlegte, was sie jetzt tun sollte, fiel ihr Blick auf eine gerahmte Fotografie, die neben Ioles Bett auf dem Nachttisch stand. Ein Riss lief durch das Glas. Als sie darauf zuging, verdüsterte sich Ioles Miene. Sie schnappte das Foto vom Tisch und presste es an ihre Brust.
»Ich will es dir nicht wegnehmen«, sagte Rosa.
Iole nickte schuldbewusst, aber sie drückte das Bild weiterhin an sich.
»Sind das deine Eltern?«, fragte Rosa. Sie hatte nur zwei Umrisse erkannt, vor einem blauen
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