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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ihm ansehen, dass sie ihn verletzt hatte. »Ich werde nicht zulassen, dass Cesare der neue capo des Clans wird«, sagte er leise, ohne sie anzusehen, aber mit verbissener Härte in der Stimme.
    »Lilia ist tot «, stieß sie wütend hervor. Sie konnte nicht fassen, dass ihn das derart kaltließ.
    »Wie meine Mutter.«
    Sie schloss für einen Moment die Augen, sah aber auch hinter ihren Lidern weiter das Scheinwerferlicht durch die Schwärze tasten. Als sie sie wieder öffnete, huschten Abfälle am Straßenrand vorüber. Ein Tierkadaver im Graben glühte auf und verblasste wie ein Gespenst.
    Sie presste beide Hände aufs Gesicht, ließ den Kopf gegen die Lehne sinken und versuchte regelmäßig zu atmen. In ihrenTherapiestunden hatte sie Atemtechniken für Stresssituationen gelernt, aber natürlich führte das hier zu gar nichts. Aus dem Luftholen wurde ein Schluchzen und sie spürte, wie Feuchtigkeit zwischen ihre Finger sickerte. Dass sie weinte, wurde ihr erst Augenblicke später bewusst.
    »Hey«, sagte Alessandro sanft, nahm den Fuß ein wenig vom Gas und streckte seine Hand aus.
    Sie zuckte zurück. »Spar dir dein Mitleid.«
    »Hast du mir denn vorhin gar nicht zugehört?«
    Was sollte sie darauf erwidern? Außer Schweigen fiel ihr nichts ein. Ihre Knie wurden ganz zappelig und sie hatte das Gefühl, etwas stehlen zu müssen.
    Sie nahm die Hände vom Gesicht, presste sie auf ihre Beine, um sie still zu halten, und hasste sich, weil sie spürte, dass ihre Unterlippe bebte. Sie bekam keine Antwort zu Stande, nur einen langen Blick durch den Tränenschleier in seine Richtung. Im eisblauen Schein der Armaturenbeleuchtung sah er aus wie ein Geist.
    »Wo fährst du hin?«, brachte sie schließlich hervor.
    »An einen Ort, an dem sie dich nicht suchen werden.« Er deutete voraus in die Nacht. Ein Berggipfel verdeckte die Sterne. »Ich bringe dich zu Iole.«
    s
    Sie hatte es geahnt, schon bevor die Burg auf dem Gipfel sichtbar wurde. Castello Carnevare.
    »Er wird dich überall vermuten, aber nicht hier, direkt vor seiner Nase«, sagte Alessandro.
    Es war ihr in diesem Moment seltsam gleichgültig, was mit ihr geschah. Während der Mercedes die Serpentinen zur Festung hinauffuhr, blickte Alessandro zurück ins Tal. »Da unten kommen sie.«
    Sie wischte sich über die Augen und sah dennoch flirrendeSterne um die Kolonne aus winzigen Lichterpaaren tief unten in der Ebene.
    Alessandro klickte die Scheinwerfer herunter auf Standlicht. Augenblicklich rückte die Finsternis vor der Motorhaube bis auf wenige Meter heran. »Keine Sorge, die Straße fahre ich blind, wenn es sein muss.«
    Kurz kamen ihr Zweifel daran, als er das Steuer unverhofft herumriss und von dem Hauptweg nach rechts abbog. Über eine holprige Schotterpiste rollten sie um den halben Berg, bis sie sich an der Rückseite der Festung befinden mussten. Hier hielt er an und deutete auf schmale, in den Stein gehauene Stufen, die den Fels hinaufführten. »Kannst du im Dunkeln da raufgehen?«
    Sie nickte benommen, ohne sich Gedanken darüber zu machen.
    »Es ist nicht weit. Die Stufen enden an einer kleinen Holztür. Es ist einer der alten Fluchtwege aus der Burg. Warte davor, bis ich dich von innen reinlasse. Okay?«
    Noch einmal nickte sie, stieg aber nicht aus.
    »Ich muss mit dem Wagen im Burghof sein, bevor die anderen eintreffen. Und alle, die jetzt da sind, müssen sehen, dass ich allein ankomme.«
    Sie zog am Griff und stieß die Tür auf. Alessandro packte ihren Arm. »Rosa …«
    Sie drehte sich zögernd um.
    »Ich hab das eben ernst gemeint. Das hier ist die schlechteste Gelegenheit, das weiß ich, aber …« Ihm gingen die Worte aus. Er fluchte leise und schlug die Augen nieder.
    »Dass du dich in mich verliebt hast?«, fragte sie.
    »Dass ich für dich sterben würde.«
    »Du willst der Anführer deines Clans werden«, erinnerte sie ihn mit einem traurigen Lächeln. » Das ist es, was du willst.«
    Er sah niedergeschlagen aus. »Ich kann Cesare nicht gewinnen lassen, Rosa. Er darf nicht bekommen, was er sich durch den Mord an meiner Mutter erkauft hat.«
    »Für mich muss niemand sterben«, sagte sie und glitt aus dem Wagen. Der kühle Nachtwind erfasste ihr Haar und wirbelte es um ihr Gesicht; sie hoffte, dass die Böen ein wenig Verstand in ihr umnebeltes Hirn bliesen.
    Er schwieg einen Moment, dann fragte er: »Du wirst da oben warten, ja?«
    »Wohin soll ich denn sonst gehen?« Sie sah an den Felsen empor. Das Ende der Treppe war von hier aus

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