Arkadien 03 - Arkadien fällt
an.
»Ich bin Davide Alcantara. Und ja, ich bin dein Vater. Gemma würde es dir bestätigen, wenn sie hier wäre.«
»Wenn sie hier wäre, würde sie dich erschießen.«
Er wich ihrem Blick aus. »Ich hatte keine andere Wahl, als zu gehen. Sie hätte das nie verstanden.«
»Hätte was nie verstanden?«
Er deutete zum Ausgang. »Komm mit. Ich zeig dir was.«
»Ich hab die Käfige gesehen. Ein Video davon, als sie noch vollgestopft waren mit Arkadiern. Ihr gehört zu TABULA. Ihr seid Massenmörder.«
»Nein«, sagte er ruhig und deutete auf Sigismondis. »Nur er.«
»Was ist mit Apollonio?«
»Mein Zwillingsbruder.«
»Das weiß ich. Und ich weiß auch von seinem kleinen Geschäft mit Tano und Michele Carnevare.«
Von weitem schien er sich kaum verändert zu haben. Er sah sehr süditalienisch aus, mit schwarzen Haaren, gebräunter Haut und dunklen Augen.
Noch immer rührte er sich nicht von der Stelle. Er schien keine Sorge zu haben, dass sie schießen könnte. »Was Tano und Michele getan haben, war furchtbar. Aber es hat nichts mit mir zu tun.«
»Michele hat alles gefilmt. Ich hab die Aufnahme gesehen. Ich weiß genau, wer dabei war.«
»Apollonio war nicht zurechnungsfähig.« Warum lächelte er bei diesen Worten? Er wusste über alles Bescheid, und jetzt lächelte er? »Deshalb habe ich ihn getötet.«
»Du hast –«
»Ihn umgebracht. Gleich nachdem ich erfahren habe, was er dir angetan hat. Er hatte es verdient.« Jetzt erkannte sie, dass es kein fröhliches Lächeln war, sondern ein eiskaltes. Ein Lächeln, mit dem man seinen schlimmsten Feind bedachte, bevor man ihm die Kniescheiben zerschoss.
Langsam folgte sie Sigismondis an den Tischen entlang in Richtung der Tür. Sie behielt beide im Auge, auch wenn keiner von ihnen Anstalten machte, sie anzugreifen. Der Alte war viel zu beschäftigt mit seiner Kadaverimpfung, während der Mann, der ihr Vater sein wollte, nur dastand und sie ansah.
»Zeig mir deine Hände«, verlangte sie.
Das tat er. Sie waren leer.
»Dreh dich um. Ich will deinen Rücken sehen.«
Auch dieser Anweisung gehorchte er. Keine versteckten Waffen. Der Overall hatte weder Gürtel noch Taschen.
Er seufzte. »Das klingt nicht, als gäbe es eine Umarmung zur Begrüßung.«
»Ich war vier, als du dich aus dem Staub gemacht hast«, sagte sie. »Das ist vierzehn Jahre her. Ohne Abschied, ohne ein Wort zu Zoe und mir. Mom leidet heute noch darunter. Was erwartest du? Dass wir uns in die Arme fallen und ich dir sage, wie toll es ist, dass du per Zufall zurück in mein Leben gestolpert bist? Nicht etwa, weil du es gewollt hast, sondern weil ich dich gefunden habe. In diesem Loch.«
»Du redest wie deine Mutter.«
Und zum ersten Mal war sie stolz darauf. Endlich wurde ihr bewusst, wie sehr sie Gemma liebte und dass all der Zorn, den sie jahrelang empfunden hatte, in Wahrheit ihm galt.
»Ich hab mich verhalten wie ein Scheißkerl«, sagte er. »Aber willst du mich deswegen erschießen?«
»Nenn mir einen Grund, warum ich es nicht tun sollte«, erwiderte sie.
»Du hast ja Recht. Ich hab nicht nach dir gesucht. Und dass wir uns heute wiedersehen, hat nichts mit väterlicher Sehnsucht zu tun – es wäre eine ziemliche Schmierenkomödie, dir so was vorzuspielen. Wir stehen uns gegenüber, weil du an diesem Ort aufgetaucht bist – an dem du übrigens nicht das Geringste verloren hast. Das ist die Wahrheit. Aber da du nun schon mal hier bist, kann ich dir auch etwas zeigen. Und dir ein paar Dinge erklären, wenn du Wert darauf legst. Vielleicht hält dich das davon ab, deinen Dad mit Blei vollzupumpen.«
Dafür, dass er früher nicht viel mit der Cosa Nostra zu tun gehabt und sich den Geschäften seiner Familie verweigert hatte, kam ihm der Mafia-Slang heute recht leicht von den Lippen.
»Ich gehe voraus«, bot er ihr an, »und du folgst mir. Von mir aus mit deiner Waffe im Anschlag. Aber tu mir den Gefallen und stolpere nicht. Das wäre dann ein ziemlich kurzes Familienfest.«
»Wo gehen wir hin?«
Er legte verschwörerisch einen Finger an die Lippen und nickte in Richtung des alten Wissenschaftlers. »In das echte Laboratorium«, sagte er leise. Sie erwartete fast ein vertrauliches Augenzwinkern, aber derart überspannte er den Bogen dann doch nicht.
Sie blickte zu Sigismondis hinüber, der seine Impfungen an der nächsten Tischreihe fortsetzte, dabei leise mit sich selbst sprach und ihnen keine Beachtung mehr schenkte.
»Was ist mit ihm?«, fragte sie.
»Er befindet
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