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Arkadien 03 - Arkadien fällt

Arkadien 03 - Arkadien fällt

Titel: Arkadien 03 - Arkadien fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ihrer Position aus nicht hatte sehen können.
    Eine Gestalt in Weiß.
    Sie verschwand so schnell, wie sie aufgetaucht war, kreuzte den Gang nur, ohne Rosa wahrzunehmen.
    Die Schritte klangen schwerfällig und angestrengt. Die Gestalt ging ein wenig gebückt.
    Rosa richtete sich langsam auf und bewegte sich auf Zehenspitzen vorwärts. Sie erreichte den Quergang. Gerade breit genug für zwei Menschen nebeneinander.
    Mit der Pistole im Anschlag trat sie um die Ecke.
    Niemand.
    Ihre Kiefer mahlten. Sie stand aufrecht, breitbeinig, so als wüsste sie, was sie hier tat, beidhändig die Waffe umklammernd wie jemand, der ständig mit so einem Ding hantierte.
    Wieder das Husten. Die Schritte.
    Dann der Mann im weißen Kittel. Er musste vorhin in den nächsten Gang abgebogen sein, hatte sich anders entschieden und kam jetzt zurück. Wie ein Wiedergänger wanderte er geradewegs auf Rosa zu.
    Und beachtete sie nicht.
    »Bleiben Sie stehen«, sagte sie.
    Er kam näher und ignorierte sie. Betrachtete einen Papierblock, den er an ein Klemmbrett geheftet hatte. Er schrieb im Gehen etwas auf.
    »Sie sollen stehen bleiben!« Diesmal klang es schärfer, aber schon nahe an Panik. Nur keine Furcht zeigen.
    Er blickte auf, sah sie an und doch durch sie hindurch, schüttelte den Kopf und ging an ihr vorbei. Sie musste ein wenig beiseitetreten, damit er nicht gegen sie stieß, aber es war kein Angriff, nicht einmal Achtlosigkeit. Er nahm sie gar nicht wahr.
    Sie schwenkte die Pistolenmündung hinter ihm her, zielte auf sein breites Kreuz, den grauhaarigen Hinterkopf. Er war groß und sah kräftig aus, trotz seines hohen Alters.
    »Professor Sigismondis!«, sprach sie ihn an, während er sich von ihr entfernte. »Bleiben Sie stehen.«
    Diesmal überraschte er sie, indem er tat, was sie sagte. Aber er drehte sich nicht zu ihr um, ließ nur die Hände mit Block und Bleistift sinken.
    »Sie haben meine Großmutter gekannt«, sagte sie. »Costanza Alcantara.«
    Sein röchelnder Atem brach ab, so als könne er nicht gleichzeitig nachdenken und Luft holen. Dann seufzte er leise.
    »Costanza«, flüsterte er.
    »Sie ist hier gewesen, bei Ihnen. Sie haben ihre Kinder zur Welt gebracht.« Rosa stand drei Meter hinter ihm, die Arme mit der Waffe ausgestreckt, und zielte zwischen seine Schulterblätter. Sein Kittel war schmutzig und vergraut, aus dem Saum hingen Fäden.
    Er drehte sich langsam zu ihr um.

Ausgestopft
    B uschige Augenbrauen, hohe Wangenknochen. Eine flache Nase wie ein Boxer. Hätte Rosa nichts über Sigismondis gewusst, sie hätte ihn für alles Mögliche gehalten, nur nicht für einen Wissenschaftler, der beinahe den Nobelpreis erhalten hätte. Er war früher gewiss an die zwei Meter groß gewesen, und selbst jetzt, da sein Rücken krumm und die Schultern nach vorn gesunken waren, überragte er Rosa um Haupteslänge.
    Ein Lächeln zog seine Mundwinkel nach oben, als hingen sie an Angelhaken. »Costanza«, wisperte er noch einmal.
    Nur dass er sie diesmal dabei ansah. Und augenscheinlich glaubte, sie wiederzuerkennen.
    »Ich bin Rosa Alcantara«, sagte sie über den Lauf der Pistole hinweg. »Costanzas Enkelin.«
    Er nickte langsam.
    »Sie kannten auch meinen Vater. Er ist hier geboren worden, nicht wahr? Davide Alcantara.«
    Sein Lächeln schwand, seine Miene wurde ausdruckslos. Nun war er wieder nur ein alter Mann. Ein alter, dementer Mann. Aber sie wollte es nicht wahrhaben, nicht nachdem sie ihn endlich vor sich hatte, dieses Ungeheuer, das all die Jahre an der Spitze von TABULA gestanden hatte.
    Aber Eduard Sigismondis musste seinen Vorrat an Bösartigkeit schon vor langer Zeit aufgezehrt haben. Nach allem, was sie wusste, hatte er jahrzehntelang aus dem Vollen geschöpft. Kein Wunder, dass er jetzt wie ausgehöhlt wirkte.
    Sie bemühte sich die Pistole ruhig zu halten. Zielte auf sein Herz, dann auf sein Gesicht. Schließlich wieder auf seine Brust.
    »Davide«, sagte er leise. »Costanzas Sohn.«
    »Davide war mein Vater.« Ist mein Vater, hätte es heißen müssen. Falls er wirklich noch lebte und der Mann auf dem Video gewesen war, der Auftraggeber ihrer Vergewaltigung, derjenige, der die Schuld daran trug, dass sie schwanger geworden war und das Kind, Nathaniel, hatte abtreiben lassen. Alles seine Schuld.
    »Davide«, sagte er noch einmal. »Und Apollonio.«
    Mister Apollonio hatte Michele Carnevare zu ihrem Vater gesagt. Und während die beiden zugesehen hatten, wie Tano Carnevare über Rosa herfiel, hatte Apollonio ihn zur

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