Arkadien 03 - Arkadien fällt
Bürgerkrieg zwischen Lamien und Panthera gehört, damals im alten Arkadien. Und von ihrem Friedenspakt.«
»Auch davon, dass Lamien und Panthera verboten wurde, Kinder miteinander zu zeugen?«
»Um zu verhindern, dass zwei starke Familien zu einer einzigen unbesiegbaren zusammenwachsen – ja.«
Am Ende der Käfigreihe blieb er stehen. »Angeblich haben die Götter dieses Verbot ausgesprochen. Das magst du Mumpitz nennen, aber in der Regel haben solche Geschichten einen wahren Kern. Es ist ja nachvollziehbar, dass die Macht über Arkadien damit im Gleichgewicht gehalten werden sollte, eine Art Koalition mit gleicher Kräfteverteilung. Nur war das nicht der einzige Grund, aus dem Panthera und Lamien die Finger voneinander lassen sollten.«
Sie konnte den Gedanken an Alessandro jetzt nicht länger unterdrücken, sosehr sie es auch versuchte. Urplötzlich wurde ihr so flau, dass sie schon fürchtete, sie wäre hereingelegt worden, mit irgendeinem Gift, von dem sie nichts bemerkt hatte.
»Es gibt einen biologischen Grund, aus dem Lamien und Panthera nicht zueinander passen«, sagte er. »Es hat mit ihren Kindern zu tun.«
Sie umklammerte die Pistole, dachte an Nathaniel und erneut an Alessandro. Man hatte sie gewaltsam mit Tano zusammengebracht, einem Panthera. Sie war ein Versuchsobjekt gewesen, ihre Vergewaltigung nichts anderes als ein Experiment. Mit einem Schlag bekam sie eine Heidenangst vor dem, was er als Nächstes sagen würde.
Er trat vor das hohe Stahltor in der Seitenwand, nur wenige Meter vom Treppenhaus und vom Lastenaufzug entfernt. Die kleine Tür darin stand einen Spaltbreit offen.
»Du warst nicht die Erste, bei der es versucht worden ist«, sagte er und drehte sich mit betrübter Miene zu ihr um. »Die erste Lamia – jedenfalls die erste, von der wir wissen –, die mit einem Panthera gekreuzt worden ist, war Costanza. Nur dass sie nichts davon geahnt hat. Der gute Professor kannte die alten Legenden, er war ganz besessen vom Arkadienmythos. Und er wollte herausfinden, ob es für das Verbot der Vereinigung von Lamien und Panthera eine konkrete Ursache gab. Mythen sind oft eine Art Verkleidung der Wahrheit. Die Menschen haben Göttern die Schuld gegeben für all die Dinge, die sie sich nicht erklären konnten. Oder sie vorgeschoben, um Verbote durchzusetzen. Mit einiger Sicherheit hat es in der Antike Verbindungen zwischen beiden Dynastien gegeben, aber der Nachwuchs, der daraus entstanden ist, war … anders. Und vor allem war er schwach.«
»Schwach?«, fragte sie leise.
»Kränklich bei der Geburt, aber das war nicht das Schlimmste. Aus irgendwelchen Gründen passen die Gene beider Arten nicht zueinander, die Neugeborenen sind damals vermutlich nicht alt geworden. Heutzutage hingegen gibt es Mittel, derart geschwächte Babys am Leben zu halten und aufzupäppeln. Und genau das hat Sigismondis getan. Für ihn war die Geburt von Costanzas Zwillingen ein wissenschaftlicher Triumph. Er hatte sie ohne ihr Wissen mit dem Samen eines Panthera befruchtet. Die Tatsache, dass mein Bruder und ich nur mit Mühe und Not die ersten paar Tage überstanden haben, hat seine These bestätigt. Das Konkordat nimmt die natürliche Auslese vorweg. Statt Kinder zur Welt zu bringen, die ohnehin bald sterben, wurde es Lamien und Panthera verboten, überhaupt erst welche zu zeugen. Sie wurden voneinander ferngehalten, vielleicht auch aus der Sorge heraus, überlebende Söhne und Töchter könnten die Blutlinien aller Dynastien vergiften.«
Sie hatte die Pistole noch immer auf ihn gerichtet und dachte nicht daran, sie zu senken. Trotzdem kam sie sich allmählich kindisch damit vor, weil er so gut wie sie zu wissen schien, dass sie nicht ohne weiteres abdrücken würde.
»Costanza wurde also gegen ihren Willen mit einem Panthera gekreuzt«, sagte sie. »Und die Zwillinge, ihr beiden, wart der lebende Beweis dafür, dass eben nicht die Götter das Verbot verhängt hatten, sondern die Dynastien selbst? Darum ging es Sigismondis?«
»Unter anderem, ja. Ihn interessierten die Fakten hinter den alten Legenden. Natürlich erzählte er Costanza nichts davon, sie war ohnehin schon wütend genug auf ihn. Sie hatte eine Tochter gewollt oder auch zwei, doch das hatte nicht einmal Sigismondis beeinflussen können. Er mag sich darin gefallen haben, Gott zu spielen, aber von einem echten war er dann doch noch ein gutes Stück entfernt.« Das schien ihn zu amüsieren, doch als er fortfuhr, wirkte er wieder vollkommen ernst.
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