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Arkadien 03 - Arkadien fällt

Arkadien 03 - Arkadien fällt

Titel: Arkadien 03 - Arkadien fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Meter unter der Oberfläche verwandelte sie sich, verlor für einen Augenblick die Orientierung, fand zurück in die Horizontale und brachte Schwimmstöße zu Stande, fast blind vom Salz, aber noch kräftig genug, um weiter hinauszugleiten. Sie konnte nicht nachdenken, nicht an ihn denken, weil jeder ihrer Sinne aufs Überleben ausgerichtet war.
    Das Getöse um sie herum wurde lauter, kurz bevor sie zur Oberfläche aufstieg, panisch Luft in ihre Lunge sog, während sie verschwommen etwas vor sich sah, hoch und schwarz, keine zehn Meter mehr entfernt.
    Raffaela Falchi kniete oberhalb der silbernen Leiter, die von der Reling zum Wasser führte. Iole war bei ihr, aber die Lehrerin drängte sie zurück. Cristina musste derweil den Motor angelassen haben. Schäumendes Wasser wurde von der Schiffsschraube um das Heck gewirbelt.
    Rosa schaute über die Schulter, sah die Umrisse der Hybriden vor dem weißen Sand, drehte sich um, schwamm weiter. Die Lehrerin hatte sie entdeckt, rief ihren Namen und schwenkte mit einer Hand die Pistole.
    Die unterste Leitersprosse lag plötzlich in Rosas Hand, noch bevor sie gänzlich begriff, dass sie das Boot tatsächlich erreicht hatte. Verzweifelt zog sie sich aufwärts.
    Ihr Handgelenk wurde gepackt. Augenblicke später zog Signora Falchi sie an Bord, fort von der Reling, während der Motor aufjaulte, der Rumpf sich aufbäumte und das Speedboot vorwärtsschoss, aus der Umarmung der Bucht hinaus aufs offene Meer.
    Ioles Gesicht flackerte durch Rosas Wahrnehmung, ihre Stimme, zugleich die der Lehrerin, sogar das aufgeregte Hecheln des Hundes. Sie wälzte sich auf die Seite und blickte im Liegen zurück zum Ufer. Das Salz brannte in ihren Augen, vielleicht auch Tränen, aber sie sah jetzt wieder alles mit erbarmungsloser Schärfe.
    Die Hybriden in der Brandung starrten dem davonrasenden Speedboot nach. Am Fuß der Felsen waren noch mehr von ihnen; sie trugen einen reglosen Körper, der sich nicht länger wehrte, nicht mehr nach ihr rief, der fortgeschleppt wurde wie etwas, das keinen Willen besaß, keine Kraft mehr. Kein Leben.

Trostlos
    Z um ersten Mal seit Tagen war er nicht in ihrer Nähe. Sie konnte ihn nicht sehen, nicht hören, konnte ihn nicht berühren, wann immer sie wollte.
    Da waren die anderen, Iole und die Frauen, aber sie erschienen wie hinter einer Wand aus Milchglas, diffuse Formen. Ihre Stimmen drangen kaum zu ihr durch, existierten außerhalb ihrer engen Welt aus Angst und Wut und Trauer.
    Alles um sie herum war schwarz-weiß geworden, nichts schien mehr Farbe zu besitzen, nicht der Himmel, nicht die See. In eine Decke gehüllt kauerte sie mit angezogenen Knien auf einer Bank im Heck des Speedbootes, ihr Haar ein Spiel des Windes, ihre Haut leichenblass, ihr Atem ein Rasseln tief in ihrer Kehle. Sie sprach nicht, und wenn andere redeten, hörte sie nicht zu.
    Sarcasmo stieß sie ein paarmal mit seiner Hundenase an. Sie streichelte ihn mechanisch und wünschte sich, da wäre Pantherfell unter ihren Fingern. Aber er gab nicht auf, stellte sich auf die Hinterbeine, legte die Vorderpfoten auf ihre Schultern und leckte ihr übers Gesicht. Sie bemerkte es kaum.
    »Wir haben sie abgehängt«, hörte Rosa Iole sagen, dumpf und fern. Das bedeutete wohl, dass sie verfolgt worden waren. Dass jetzt niemand mehr hinter ihnen war, erleichterte sie ein wenig, weil es auch ihn schützte. Es war so schrecklich widersinnig: Ausgerechnet ihre Trennung bedeutete, dass er sicher war. Hätten die Hybriden sie beide gefangen genommen, wären sie wohl schon auf dem Weg zum Hungrigen Mann.
    Die Erinnerung an seine letzten Blicke, seine Schreie zog sich wie eine Schlinge um ihren Hals zusammen und erdrosselte sie ganz allmählich; ein wenig mehr mit jedem Kilometer, den sie sich von ihm entfernte.
    Cristina steuerte das Boot auf die sizilianische Nordküste zu, aber die Kopfbewegung, die nötig war, um nach vorn zu schauen, würde Rosa zu viel Kraft kosten und schien die Mühe nicht wert. Irgendwann würden sie ankommen. Irgendetwas würde geschehen. Es war ihr so egal.
    Dann aber veränderte sich der Klang des Motors, der Fahrtwind wurde schwächer. Sie hörte Flüche, entschlossene Schritte. Jemand stand plötzlich vor ihr. Im nächsten Moment schlug ihr eine flache Hand so heftig ins Gesicht, dass ihr Kopf zur Seite geschleudert wurde.
    Sie riss den Mund auf und zischte wie ein Reptil.
    Cristina di Santis funkelte sie wutentbrannt an. »Jetzt reiß dich zusammen, verdammt noch mal!«
    Rosa

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