Arkadien 03 - Arkadien fällt
Treppe und blickte auf sie herab. »Ich würde meinem Exfreund nicht mein Leben anvertrauen. Warum deinem?«
»Lorenzo wird uns nicht verraten!«
Cristina grinste. »Erahne ich da die Überreste zarter Bande?«
Rosa stand an der Reling, noch immer in die Decke gewickelt, weil es an Bord nichts gab, das sie hätte überziehen können. Sie hatte aufs Meer hinausgestarrt, während sich die anderen berieten, aber jetzt wandte sie sich um. »Ich muss auf dem schnellsten Weg nach Campofelice di Fitalia.«
Iole neigte den Kopf. »Und was ist mit ihm?«
»Als sie ihn gefangen haben, da hat er mir etwas zugerufen. Über eine Klinik. Und dass er mich dort wiederfinden würde. Oder ich ihn.«
»Romantik überall«, ächzte Cristina.
Diesmal blieb Rosa ruhig. »Falls er ihnen irgendwie entkommen kann, wird er dort auftauchen.«
»Was bringt dich auf die Idee, dass er ihnen entkommen könnte?«
Signora Falchi kam ihr zuvor. »Hoffnung«, sagte sie im Brustton der Überzeugung. Es war wohl das erste Mal überhaupt, dass sie Rosas Partei ergriff.
Iole starrte sie an, dann Rosa, schließlich lächelte sie.
Cristina verzog den Mund. »Erst mal brauchst du Klamotten. Es sei denn, du willst per Anhalter weiter. Dann hast du so bessere Chancen.«
»Lorenzo kann uns vielleicht seinen Wagen leihen«, sagte die Lehrerin.
»Schenkt er dir auch seine letzten Ersparnisse?«
»Er ist ein guter Mensch«, empörte sie sich. »Und ein Christ.«
Cristina verdrehte die Augen.
»Wow«, flüsterte Rosa.
»Ich dachte, er macht Rockmusik«, sagte Iole.
»Christliche Rockmusik. Zu Texten aus der Bibel. Früher jedenfalls.«
Rosa sah das Mädchen grinsen. Iole hatte wohl immer geahnt, dass ihre Lehrerin keinen coolen Freund haben konnte.
»Gibt es auf diesem Boot eine Karte?«, fragte Signora Falchi mit erblühendem Elan.
Cristina nickte resigniert.
»Ich zeig dir, wo es ist. Wir legen in der Nähe an. Den Rest erledige ich.«
»Mit deinem Charme?«
Die Lehrerin lächelte verlegen.
»Und in dem Aufzug?«
»Das ist seine Band.« Sie strich über das flammende Logo auf ihrer Brust, dann fügte sie leiser hinzu: »Ex-Band.«
Rosa machte sich erstmals die Mühe, die verschnörkelten Lettern zu entziffern. Sinners & Winners .
» So Achtziger«, sagte Cristina.
Sünder
D er Wind blies Staub und vertrocknete Macchiazweige über die menschenleere Hauptstraße. Das Dutzend Häuser zu beiden Seiten war verlassen, Türen und Fenster von außen zugenagelt. Jemand hatte die meisten Bretter mit plumpen Graffiti besprüht. Eines der Gebäude hatte irgendwann gebrannt, der Dachstuhl lag offen, die verkohlten Überreste der Balken ragten wie schwarze Fangzähne über die Mauern hinaus.
Am Ende der Straße, unweit der Steilküste, erhob sich eine kleine Kirche, ein schlichter, sandfarbener Bau mit einem niedrigen Glockenturm auf dem Dach über dem Eingang. Die Lehrerin erzählte ihnen, dass in den Siebzigern eine Hippiekommune hier gehaust hatte – die ans Portal gepinselten Blumenornamente waren nicht zu übersehen –, ehe Midlife-Crisis und Wechseljahre die Mitglieder in die Flucht geschlagen hatten. Das Pärchen, das übrig geblieben war, hatte immerhin einen Kaufvertrag vorweisen können, und von diesen beiden hatte Lorenzo das Gemäuer erworben.
»Das heißt, die haben es entweiht, oder?«, stichelte Cristina. »Ich meine, Hippies . Orgien vorm Taufbecken. Drogenexzesse in der Sakristei. Haschkekse statt Hostien.«
Raffaela Falchi rümpfte die Nase, während sie als Erste den Pfad verließ, dem sie von einem schmalen Steinstrand hinauf auf die Klippen gefolgt waren. Rosa kam sich in ihrer Wolldecke selbst vor wie ein Apostel auf dem Pilgerpfad.
Neben der Kirche stand ein uralter VW-Bus. Hellblau, aber ohne Blumenschmuck. Sie würde nicht mal eine Minute brauchen, um das Ding zu knacken.
Im Näherkommen entdeckte sie Gitter vor den Fenstern der Kirche. Auch die Doppeltür sah massiv aus. Das hätte sie beunruhigen müssen, aber die Gleichgültigkeit hielt sie noch immer fest im Griff.
»Da drinnen ist alles voll mit hochwertigem Studioequipment«, erklärte die Lehrerin. »Deshalb ist das Gebäude so gut gesichert.«
Iole inspizierte mit roten Wangen die verblichenen Malereien am Eingang. »Ich mag Blumen.«
»Lorenzo hasst sie.«
Sarcasmo bellte die Tür an. Die Lehrerin drängte ihn sanft beiseite und drückte auf den Klingelknopf an einer Gegensprechanlage. Es dauerte eine Weile, ehe sich eine Stimme
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