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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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sterben, wenn er nicht rechtzeitig behandelt wird. Aber wenigstens eine Zeit­lang, nämlich solange der Patient noch lebt, kommt dem Cholerabakterium zugute, daß es in großer Zahl in das Wasser gelangt, das ihm womöglich Zutritt zu seinem nächsten Opfer verschafft. Unter der Voraussetzung, daß jeder Erkrankte auf diesem Wege im Durchschnitt mehr als eine weitere Person ansteckt, kann sich das Bakte­rium ausbreiten, auch wenn der erste Wirt ums Leben kommen sollte.
    So weit unsere unvoreingenommene Betrachtung der Interessen der Erreger. Kommen wir nun zurück zu un­serem eigenen selbstsüchtigen Interesse, gesund und am Leben zu bleiben – am besten durch Tötung der unge­liebten Krankheitserreger. Eine unserer häufigsten Re­aktionen auf eine Infektion ist Fieber, das wir gemein­hin ebenfalls nur als »Krankheitssymptom« betrachten, als ob es uns ganz ohne Zweck plagen würde. Die Regu­lierung der Körpertemperatur unterliegt jedoch unserer unbewußten Kontrolle und ist nicht dem Zufall über­lassen. Da manche Mikroben hitzeempfindlicher sind als wir selbst, versuchen wir sie durch Erhöhung unse­rer Temperatur zu Tode zu rösten, bevor wir selbst ge­röstet werden.
    Eine weitere häufige Reaktion auf eingedrungene Krankheitserreger ist die Mobilisierung unserer Immu­nabwehr. Weiße Blutkörperchen und andere Zellen ma­chen Jagd auf fremde Mikroben und versuchen, sie zu töten. Die speziellen Antikörper, die sich mit der Zeit gegen eine bestimmte Mikrobe bilden, die uns infiziert hat, senken die Wahrscheinlichkeit einer erneuten späte­ren Infektion nach der Genesung. Wie jeder aus eigener Erfahrung weiß, ist die Resistenz gegen manche Krank­heiten – wie Grippe und Erkältung – nur von vorüber­gehender Dauer, so daß wir uns nach einiger Zeit erneut anstecken können. Bei anderen Krankheiten – wie Ma­sern, Mumps, Röteln, Keuchhusten und den inzwischen besiegten Pocken – verschaffen uns die nach der Erst­infektion gebildeten Antikörper lebenslange Immunität. Auf diesem Prinzip basieren auch Impfungen: Die An­tikörperbildung wird angeregt, ohne daß die Krankheit voll ausbricht, indem Totimpfstoff oder abgeschwächte Varianten des Erregers gespritzt werden.
    Leider Gottes brechen einige besonders clevere Mi­kroben nicht nur in unser Immunsystem ein, sondern verstehen es obendrein, uns zu überlisten, indem sie diejenigen Teile ihrer Hülle, die von unseren Antikör­pern erkannt werden (die sogenannten Antigene), ver­ändern. Die ständige Evolution neuer beziehungsweise die Wiederkehr älterer Stämme des Grippevirus mit je­weils unterschiedlichen Antigenen erklärt, warum Sie vielleicht neulich wieder an Grippe erkrankt sind, ob­wohl sie gerade erst vor zwei Jahren von dieser Geißel geplagt wurden. Malaria und Schlafkrankheit verstehen es noch besser, ihre Antigene rasch zu verändern und auf diese Weise durch die Maschen unseres Immunsy­stems zu schlüpfen. Nahezu unübertroffen ist in dieser Hinsicht das Aidsvirus, das ständig neue Antigene ent­wickelt, selbst wenn es sich schon im Körper eines Pa­tienten befindet, bis unser Immunsystem vor dem An­sturm irgendwann kapituliert.
    Unsere langsamste Abwehrreaktion erfolgt auf dem Weg über die natürliche Selektion, die von Generation zu Generation die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Erbanlagen verändert. Gegen fast jede Krankheit sind ei­nige Menschen aufgrund ihrer erbbiologischen Ausstat­tung resistenter als andere. Beim Ausbruch einer Epide­mie würden jene, die im Besitz von Abwehrgenen gegen einen bestimmten Erregertyp sind, eher zu den Überle­benden gehören als andere, denen es an solchen Genen mangelt. Auf diese Weise wurden menschliche Bevöl­kerungen im Laufe der Geschichte nach wiederholtem Kontakt mit einem Krankheitserreger zu einem höhe­ren Prozentsatz gegen diesen resistent – einfach des­halb, weil Pechvögel ohne die richtigen Gene in einer Epidemie eher ums Leben kamen und so daran gehin­dert wurden, ihre Erbanlagen weiterzugeben.
    Schwacher Trost, werden Sie vielleicht wieder denken. Diese evolutionäre Reaktion hilft dem genetisch anfälli­gen Erkrankten, der womöglich sterben muß, auch nicht weiter. Das ist sicher richtig. Als Folge dieses Selektions­mechanismus ist eine Bevölkerung jedoch insgesamt bes­ser gegen bestimmte Krankheitserreger geschützt. Bei­spiele liefern Sichelzellen-, Tay-Sachs- und Mukoviszi­dose-Gene, die Schwarzafrikaner, mittel-/osteuropäische

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