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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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verspeist wird. Beispielsweise gilt dies für Sal­monellen, die durch den Verzehr bereits infizierter Eier oder Fleischstücke in unseren Körper gelangen; oder für Würmer, die in Schweinen darauf warten, daß wir ih­ren Wirt töten und ohne ausreichendes Garen verspeisen, um dann an Trichinose zu erkranken; ganz ähnlich ist es auch bei den Würmern, mit denen sich Sushi-Freun­de in Japan und anderswo gelegentlich beim Schlemmen von rohem Fisch infizieren. Während diese Parasiten al­lesamt durch den Verzehr eines Tieres in den mensch­lichen Organismus gelangen, wurde das Virus, das im Hochland von Neuguinea die Lachkrankheit (Kuru) ver­ursachte, durch den Verzehr eines anderen Menschen übertragen. Es konnte sich durch Kannibalismus ver­breiten, wenn nämlich Babys von Hochlandbewohnern den schlimmen Fehler begingen, sich nach dem Her­umspielen mit rohem Hirn, das ihre Mütter gerade zum Kochen aus toten Kuru-Opfern herausgeschnitten hat­ten, die Finger abzulecken.
    Eine leichte Abwandlung der Methode des Wartens, bis ein neuer Wirt den alten verspeist, wenden einige Mi­kroben an, die nicht auf den Tod des alten Wirts warten und sich statt dessen im Speichel eines Insekts, das den alten Wirt beißt oder sticht und dann fortfliegt, quasi »per Anhalter« auf die Suche nach einem neuen Wirt be­geben. Solche kostenlosen Passagen sind beispielsweise von Mücken, Flöhen, Läusen und Tsetsefliegen erhält­lich, den jeweiligen Überträgern von Malaria, Pest, Ty­phus und Schlafkrankheit. Eines besonders schmutzi­gen Tricks zur passiven Ergatterung des Transports be­dienen sich Mikroben, die im Mutterleib auf den Fötus übergehen, so daß Babys schon bei der Geburt infiziert sind. Durch dieses Verhalten stellen uns die Mikroben, die für Syphilis, Röteln und nun auch Aids verantwort­lich sind, vor ein schwieriges ethisches Dilemma, das jenen, die an Gerechtigkeit auf der Welt glauben, viel Kopfzerbrechen bereitet.
    Andere Krankheitserreger nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand, indem sie die Anatomie oder das Verhal­ten ihres Wirts so abwandeln, daß ihre Übertragung beschleunigt wird. Aus unserer Sicht sind offene Ge­schwüre im Genitalbereich, wie sie zum Beispiel Syphi­lis verursacht, schlichtweg eine Plage. Vom Standpunkt der Mikrobe stellen sie dagegen eine nützliche Methode dar, um den Wirt zu veranlassen, Mikroben durch eine Körperöffnung in einen neuen Wirt zu schleusen. Die kleinen Hautverletzungen, die bei Pocken auftreten, die­nen in ähnlicher Weise dazu, Mikroben durch direkten oder indirekten Körperkontakt zu verbreiten (manchmal geschah das auf sehr indirekte Weise, beispielsweise in Nordamerika, wo »kriegerische« Indianerstämme aus­gelöscht wurden, indem man sie mit Decken beschenk­te, die Pockenpatienten gehört hatten).
    Eine noch energischere Strategie wird beispielswei­se von den Erregern der Grippe, der Erkältung und des Keuchhustens verfolgt, die ihren Wirt zum Husten oder Niesen zwingen, wodurch sie in Richtung möglicher neu­er Wirte versprüht werden. Das Cholerabakterium zettelt in seinem Opfer starken Durchfall an, den es dazu nutzt, in Wasser zu gelangen, das dann von potentiellen neu­en Opfern aufgenommen wird. Unübertroffen, wenn es um die Abwandlung des Wirtsverhaltens geht, ist indes das Tollwutvirus, das nicht nur den Weg in den Speichel eines infizierten Hundes findet, sondern das Tier auch gleich noch zur Raserei bringt, so daß es um sich beißt und dadurch viele andere Opfer ansteckt. Der Preis für die größte körperliche Anstrengung gebührt aber ein­deutig Würmern, wie etwa Hakenwürmern, die sich aus dem Wasser oder Boden, wohin ihre Larven mit den Fä­kalien eines früheren Opfers gelangen, selbst den Weg durch die Haut eines neuen Wirts bahnen.
    Während also Geschwüre an den Genitalien, Durch­fall und Husten aus unserer Sicht »Krankheitssympto­me« sind, handelt es sich aus der Sicht der Erreger um clevere Strategien zur eigenen Verbreitung. Es liegt des­halb im Interesse der Erreger, uns »krank zu machen«. Warum aber sollte ein Erreger die doch augenschein­lich unsinnige Strategie verfolgen, seinen eigenen Wirt umzubringen?
    Von der Warte des Erregers handelt es sich dabei le­diglich um eine unbeabsichtigte Nebenwirkung (schwa­cher Trost für uns!) der an sich erfolgreichen Verbrei­tung von Mikroben auf dem Weg über die Symptome des Wirts. Ja sicher, ein an Cholera Erkrankter kann an extremem Flüssigkeitsverlust

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