Arm und Reich
verspeist wird. Beispielsweise gilt dies für Salmonellen, die durch den Verzehr bereits infizierter Eier oder Fleischstücke in unseren Körper gelangen; oder für Würmer, die in Schweinen darauf warten, daß wir ihren Wirt töten und ohne ausreichendes Garen verspeisen, um dann an Trichinose zu erkranken; ganz ähnlich ist es auch bei den Würmern, mit denen sich Sushi-Freunde in Japan und anderswo gelegentlich beim Schlemmen von rohem Fisch infizieren. Während diese Parasiten allesamt durch den Verzehr eines Tieres in den menschlichen Organismus gelangen, wurde das Virus, das im Hochland von Neuguinea die Lachkrankheit (Kuru) verursachte, durch den Verzehr eines anderen Menschen übertragen. Es konnte sich durch Kannibalismus verbreiten, wenn nämlich Babys von Hochlandbewohnern den schlimmen Fehler begingen, sich nach dem Herumspielen mit rohem Hirn, das ihre Mütter gerade zum Kochen aus toten Kuru-Opfern herausgeschnitten hatten, die Finger abzulecken.
Eine leichte Abwandlung der Methode des Wartens, bis ein neuer Wirt den alten verspeist, wenden einige Mikroben an, die nicht auf den Tod des alten Wirts warten und sich statt dessen im Speichel eines Insekts, das den alten Wirt beißt oder sticht und dann fortfliegt, quasi »per Anhalter« auf die Suche nach einem neuen Wirt begeben. Solche kostenlosen Passagen sind beispielsweise von Mücken, Flöhen, Läusen und Tsetsefliegen erhältlich, den jeweiligen Überträgern von Malaria, Pest, Typhus und Schlafkrankheit. Eines besonders schmutzigen Tricks zur passiven Ergatterung des Transports bedienen sich Mikroben, die im Mutterleib auf den Fötus übergehen, so daß Babys schon bei der Geburt infiziert sind. Durch dieses Verhalten stellen uns die Mikroben, die für Syphilis, Röteln und nun auch Aids verantwortlich sind, vor ein schwieriges ethisches Dilemma, das jenen, die an Gerechtigkeit auf der Welt glauben, viel Kopfzerbrechen bereitet.
Andere Krankheitserreger nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand, indem sie die Anatomie oder das Verhalten ihres Wirts so abwandeln, daß ihre Übertragung beschleunigt wird. Aus unserer Sicht sind offene Geschwüre im Genitalbereich, wie sie zum Beispiel Syphilis verursacht, schlichtweg eine Plage. Vom Standpunkt der Mikrobe stellen sie dagegen eine nützliche Methode dar, um den Wirt zu veranlassen, Mikroben durch eine Körperöffnung in einen neuen Wirt zu schleusen. Die kleinen Hautverletzungen, die bei Pocken auftreten, dienen in ähnlicher Weise dazu, Mikroben durch direkten oder indirekten Körperkontakt zu verbreiten (manchmal geschah das auf sehr indirekte Weise, beispielsweise in Nordamerika, wo »kriegerische« Indianerstämme ausgelöscht wurden, indem man sie mit Decken beschenkte, die Pockenpatienten gehört hatten).
Eine noch energischere Strategie wird beispielsweise von den Erregern der Grippe, der Erkältung und des Keuchhustens verfolgt, die ihren Wirt zum Husten oder Niesen zwingen, wodurch sie in Richtung möglicher neuer Wirte versprüht werden. Das Cholerabakterium zettelt in seinem Opfer starken Durchfall an, den es dazu nutzt, in Wasser zu gelangen, das dann von potentiellen neuen Opfern aufgenommen wird. Unübertroffen, wenn es um die Abwandlung des Wirtsverhaltens geht, ist indes das Tollwutvirus, das nicht nur den Weg in den Speichel eines infizierten Hundes findet, sondern das Tier auch gleich noch zur Raserei bringt, so daß es um sich beißt und dadurch viele andere Opfer ansteckt. Der Preis für die größte körperliche Anstrengung gebührt aber eindeutig Würmern, wie etwa Hakenwürmern, die sich aus dem Wasser oder Boden, wohin ihre Larven mit den Fäkalien eines früheren Opfers gelangen, selbst den Weg durch die Haut eines neuen Wirts bahnen.
Während also Geschwüre an den Genitalien, Durchfall und Husten aus unserer Sicht »Krankheitssymptome« sind, handelt es sich aus der Sicht der Erreger um clevere Strategien zur eigenen Verbreitung. Es liegt deshalb im Interesse der Erreger, uns »krank zu machen«. Warum aber sollte ein Erreger die doch augenscheinlich unsinnige Strategie verfolgen, seinen eigenen Wirt umzubringen?
Von der Warte des Erregers handelt es sich dabei lediglich um eine unbeabsichtigte Nebenwirkung (schwacher Trost für uns!) der an sich erfolgreichen Verbreitung von Mikroben auf dem Weg über die Symptome des Wirts. Ja sicher, ein an Cholera Erkrankter kann an extremem Flüssigkeitsverlust
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