Arm und Reich
Japan ging die Übernahme einer intensiven Landwirtschaft vom asiatischen Festland nur sehr langsam vonstatten, was vielleicht daran lag, daß den japanischen Jägern und Sammlern ein reichhaltiges Angebot der Natur an Meeresfrüchten und örtlichen Pflanzen zur Verfügung stand.
So wie die Lebensweise der Jäger und Sammler vielerorts schrittweise zugunsten landwirtschaftlicher Lebensformen aufgegeben wurde, kam es auch vor, daß ein System der Nahrungsproduktion schrittweise zugunsten eines anderen aufgegeben wurde. Ein Beispiel liefern Indianerstämme im Osten der heutigen USA, die um 2500 v. Chr. örtliche Pflanzen domestiziert hatten. Sie standen im Handelsaustausch mit mexikanischen Indianern, die ein ertragreicheres Anbausystem auf der Grundlage von Mais, Kürbissen und Bohnen entwickelt hatten. Diese Kulturpflanzen aus Mexiko wurden von den östlichen Indianern übernommen, und viele Stämme gaben den Anbau einer Reihe örtlich domestizierter Pflanzen im Laufe der Zeit auf, wobei der Kürbis eigenständig domestiziert wurde, Mais um 200 n. Chr. aus Mexiko eintraf, aber bis ca. 900 n. Chr. keine große Rolle spielte und Bohnen ein oder zwei Jahrhunderte später importiert wurden. Interessanterweise gibt es auch Fälle, in denen die Landwirtschaft zugunsten der Jagd- und Sammelwirtschaft aufgegeben wurde. Dies geschah zum Beispiel in Südschweden, dessen Jäger- und Sammlerbevölkerung um 3000 v. Chr. die Landwirtschaft auf der Basis von Kulturpflanzen aus Vorderasien übernahm, sie aber um 2700 v. Chr. wieder aufgab, um für 400 Jahre zum Jagen und Sammeln zurückzukehren, bevor die Landwirtschaft erneut Einzug hielt.
All diese Überlegungen verdeutlichen, daß wir nicht denken sollten, die Entscheidung für die Landwirtschaft sei im luftleeren Raum getroffen worden, so als ob die Menschen vorher nicht gewußt hätten, wovon sie sich ernähren sollten. Vielmehr müssen wir die Landwirtschaft und die Jagd- und Sammelwirtschaft als alternative Strategien betrachten, die miteinander konkurrieren. Mischformen, bei denen bestimmte Kulturpflanzen oder Tierarten zum Jagen und Sammeln hinzukamen, standen außerdem im Wettstreit mit den beiden »reinen« Formen. Das vorherrschende Ergebnis war jedoch in den letzten 10 000 Jahren die Abkehr vom Jagen und Sammeln und die Hinwendung zur Landwirtschaft, so daß wir fragen müssen, welche Faktoren dafür verantwortlich waren, daß die Landwirtschaft den Sieg davontragen konnte.
Unter Archäologen und Anthropologen ist diese Frage weiter umstritten. Ein Grund für die Fortdauer der Kontroverse ist wohl, daß in verschiedenen Teilen der Welt möglicherweise verschiedene Faktoren den Ausschlag gaben. Ein weiterer Grund liegt in der Schwierigkeit, Ursache und Wirkung zu entwirren. Immerhin lassen sich fünf Hauptfaktoren bestimmen, die lediglich in ihrer relativen Bedeutung umstritten sind.
Ein Faktor war die Verknappung wildwachsender Nahrung. Für Jäger und Sammler wurde die Nahrungssuche im Laufe der letzten 13 000 Jahre immer schwieriger, da die Ressourcen, auf denen ihre Existenz beruhte (insbesondere Wild), knapper wurden oder sogar völlig verschwanden. Wie wir in Kapitel 1 sahen, starben in Nord- und Südamerika am Ende des Eiszeitalters die meisten, in Eurasien und Afrika einige Großtierarten aus; Ursache waren entweder klimatische Veränderungen oder das Anwachsen der menschlichen Bevölkerung, gepaart mit verbesserten Jagdtechniken. Während man darüber streiten kann, welche Rolle das Aussterben dieser Tierarten beim Übergang (mit langer Verzögerung) der Indianer, Eurasier und Afrikaner zur Landwirtschaft spielte, gibt es in der jüngeren Geschichte etliche unstrittige Fälle, in denen Inseln der Ort des Geschehens waren. So widmeten sich die ersten polynesischen Siedler auf Neuseeland erst, nachdem sie die Moas ausgerottet und die Robbenbestände Neuseelands dezimiert und das gleiche mit der Vogelwelt anderer polynesischer Inseln getan hatten, verstärkt der Landwirtschaft. Die Polynesier, die um 500 n. Chr. die Osterinsel besiedelten, brachten zwar Hühner mit, doch erst als die Bestände an Wildvögeln und Tümmlern erschöpft waren, erlangten sie als Nahrungsmittel größere Bedeutung. Ganz ähnlich spielte im Bereich des Fruchtbaren Halbmonds möglicherweise das Schrumpfen der Gazellenherden, die für die jagenden und sammelnden Bewohner dieser Region bis dahin als Nahrungsquelle große
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