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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Bedeutung hatten, eine wichtige Rolle bei der einsetzenden Domestikation von Tieren.
    Ein zweiter Faktor war die zunehmende Verbreitung domes tizierbarer Wildpflanzen, wodurch Bemühungen in Richtung Domestikation zu einem lohnenderen Un­terfangen wurden, während die Verknappung der Wild­bestände das Jagen weniger attraktiv werden ließ. So führten Klimaveränderungen am Ende des Eiszeitalters in Vorderasien zu einer drastischen Ausweitung des Le­bensraums wilder Getreidearten, von deren Ähren sich binnen kurzer Zeit große Mengen Korn ernten ließen. Jene wilden Getreidearten waren Vorläufer der ersten domestizierten Anbaupflanzen im Gebiet des Frucht­baren Halbmonds: Weizen und Gerste.
    Ein weiterer Faktor, der das Gleichgewicht zugunsten der Landwirtschaft verschob, war die Entwicklung von Techniken zum Ernten, Verarbeiten und Lagern wilder Nahrung. Was nützte Bauern in spe eine Tonne Korn auf dem Feld, wenn sie nicht wußten, wie man es ernten, schälen und aufbewahren sollte? Die dafür benötigten Methoden, Geräte und Vorrichtungen tauchten in Vor­derasien ab 11 000 v. Chr. mit rasanter Geschwindigkeit auf. Sie waren erfunden worden, um den neu gewonne­nen Überfluß an wildem Getreide nutzen zu können.
    Zu diesen Erfindungen gehörten Sicheln mit Feuer­steinklingen, die an Griffen aus Holz oder Knochen be­festigt waren, Körbe zum Forttragen des Korns von den Berghängen, an denen das Getreide wuchs, Mörser und Stößel oder Mahlscheiben zum Schälen der Körner, die Technik des Röstens der Getreidekörner, damit sie gela­gert werden konnten, ohne zu keimen, und schließlich unterirdische Vorrats speicher, deren Wände teilweise zum Schutz gegen eindringendes Wasser verputzt wur­den. Für die Zeit nach 11 000 v. Chr. häufen sich Fun­de, die das Vorhandensein dieser Geräte und Techniken im Bereich des Fruchtbaren Halbmonds belegen. Sie alle waren, obgleich zum Ernten und Aufbewahren von wil­dem Getreide entwickelt, auch notwendige Vorausset­zungen für den gezielten Anbau. Mit ihnen waren un­bewußt die ersten Schritte in Richtung Pflanzendome­stikation getan.
    Ein vierter Faktor war die Wechselbeziehung zwischen dem Anstieg der Bevölkerungsdichte und dem Aufkom­men der Landwirtschaft. In allen Teilen der Welt, für die ausreichendes Material vorliegt, finden Archäolo­gen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen wach­senden Bevölkerungsdichten und dem Auftauchen der Landwirtschaft. Was war aber die Ursache und was die Folge? Dieses lange diskutierte Problem erinnert an die Frage, was zuerst da war, Huhn oder Ei: Zwang ein An­wachsen der Bevölkerungsdichte die Menschen in die Arme der Landwirtschaft? Oder schuf letztere erst die Voraussetzungen für höhere Bevölkerungsdichten?
    Im Prinzip ist davon auszugehen, daß die Kausalkette in beide Richtungen wirkt. Wie schon erörtert, gehen mit der Landwirtschaft tendenziell höhere Bevölkerungs­dichten einher, da sie höhere Pro-Hektar-Erträge an ver­wertbaren Kalorien ermöglicht als die Jagd- und Sam­melwirtschaft. Auf der anderen Seite waren die Bevölke­rungsdichten in der Spätphase des Eiszeitalters ohnehin im allmählichen Anstieg begriffen, bedingt durch ver­besserte Techniken zur Gewinnung und Verarbeitung der Früchte der Natur. Parallel zum Bevölkerungsanstieg gewann die Landwirtschaft zunehmend an Gunst, da sie die höheren Nahrungserträge zu liefern vermochte, die gebraucht wurden, um so viele Mäuler zu stopfen.
    Der Übergang zur Landwirtschaft ist somit ein typi­sches Beispiel für einen sogenannten »autokatalytischen Prozeß«. Damit ist ein Vorgang gemeint, der sich in ei­nem positiven Rückkopplungskreislauf selbst katalysiert und, einmal in Gang gesetzt, immer weiter an Tempo ge­winnt. Ein allmählicher Anstieg der Bevölkerungsdich­ten veranlaßte die Menschen zur Beschaffung von mehr Nahrung, indem diejenigen belohnt wurden, die unbe­wußt Schritte in Richtung Nahrungsproduktion taten. Nach dem Aufkommen von Landwirtschaft und Seß­haftigkeit konnten die Geburtenabstände verkürzt und auf diese Weise noch mehr Menschen in die Welt gesetzt werden, wodurch der Nahrungsbedarf weiter stieg. Die­se Wechselbeziehung zwischen Landwirtschaft und Be­völkerungsdichte erklärt den scheinbaren Widerspruch, daß mit der Einführung der Landwirtschaft, die ja den Betrag an verwertbaren Kalorien pro Hektar steigerte, eine Verschlechterung des Ernährungszustands der Be­völkerung im Vergleich zur

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