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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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(einschließlich der fruchtbarsten Regionen) von Jä­gern und Sammlern bevölkert waren, wahrscheinlich ein viel höherer Anteil als heute, wo die wenigen noch verbliebenen Jäger und Sammler meist in Randgebie­te abgedrängt sind, in denen eine nomadische Lebens­weise für sie die einzige Möglichkeit darstellt, ihr Le­ben zu fristen.
    Auch der umgekehrte Fall nichtseßhaft er Nahrungs­produzenten kommt vor. So roden einige heutige No­maden im Seentiefland von Neuguinea Lichtungen im Dschungel und pflanzen dort Bananen und Papayas, um anschließend wieder für einige Monate als Jäger und Sammler umherzuziehen; dann kehren sie zurück, um nach dem Gedeihen ihrer Pflanzen zu sehen und, falls erforderlich, Unkraut zu jäten, bevor sie sich erneut auf die Jagd begeben. Erst Monate später kommen sie zu ihren Pflanzungen zurück und lassen sich nun für eine Weile dort nieder, um zu ernten und von den Früchten ihrer Arbeit zu leben. Apachen-Indianer im Südwesten der heutigen USA verbrachten den Sommer als seßhafte Bauern in höheren Lagen, um im Winter tieferliegende Gebiete auf Nahrungssuche zu durchstreifen. Viele Hir­tenvölker in Afrika und Asien verlegen ihre Lager re­gelmäßig entlang jahreszeitlich festgelegter Routen, um mit ihren Herden immer dort zu sein, wo die Weiden am grünsten sind. Das zeigt, daß die Umstellung vom Jagen und Sammeln auf die Landwirtschaft nicht immer mit der Abkehr vom Nomadentum und dem Beginn ei­ner seßhaften Lebensweise zusammenfiel.
    Eine weitere vermeintliche Dichotomie, die in der Realität verschwimmt, ist die Unterscheidung zwischen Nahrungsproduzenten, die ihr Land aktiv bestellen, und Jägern und Sammlern als passiven Konsumenten der Früchte der Natur. In Wirklichkeit gibt es durchaus Jä­ger und Sammler, die ihr Land intensiv bearbeiten. Das gilt zum Beispiel für manche Stämme in Neuguinea, die zwar nie Sagopalme oder Bergpandanus domestizier­ten, die Erträge dieser eßbaren Wildpflanzen aber im­merhin steigern, indem sie Bäume roden, die sich an­schicken, ihnen den Platz streitig zu machen, Wasser­läufe in Sagosümpfen freihalten und ältere Sagobäume fällen, damit junge Triebe besser wachsen können. Au­stralische Aborigines, die nie das Stadium des Anbaus von Jamswurzeln und Samenpflanzen erreichten, nah­men dennoch einige Elemente der Landwirtschaft vor­weg. So legten sie Buschbrände, um eßbare Samenpflan­zen zu gewinnen, die nach einem Feuer aus dem Boden sprießen. Beim Sammeln wilder Jamswurzeln schnitten sie den größten Teil der eßbaren Knolle ab, setzten aber Stiel und Knollenspitze wieder ins Erdreich ein, damit die Knollen nachwachsen konnten. Beim Graben nach den Knollen wurde der Boden gelockert und belüftet, was das neue Wachstum beschleunigte. Um sich die De­finition als Bauern zu verdienen, hätten sie lediglich die Stiele mit den daran verbliebenen Knollen zu ihrem La­ger tragen und sie dort auf die gleiche Weise wieder in die Erde stecken müssen.
    Von diesen Vorläufern der Landwirtschaft, die uns be­reits bei Jägern und Sammlern begegnen, ging die wei­tere Entwicklung in Richtung Ackerbau und Viehzucht schrittweise vonstatten. Natürlich war es nicht so, daß alle erforderlichen Techniken binnen kurzer Zeit er­funden wurden und daß die Domestikation aller Wild­pflanzen und -tiere in einem bestimmten Gebiet zur gleichen Zeit erfolgte. Selbst dort, wo sich der Über­gang vom Jagen und Sammeln zur Landwirtschaft ei­genständig und verhältnismäßig rasch vollzog, dauer­te es Jahrtausende, bis an die Stelle der vollständigen Abhängigkeit von wilder Nahrung ein Speiseplan getre­ten war, an dem diese nur noch geringen Anteil hatte. In den Anfangsstadien der Landwirtschaft standen das Sammeln wilder Nahrung und die Feldbestellung be­ziehungsweise Viehhaltung nebeneinander; zu unter­schiedlichen Zeitpunkten traten dann verschiedene Ar­ten von Sammelaktivitäten in den Hintergrund, wäh­rend die Bedeutung der Kulturpflanzen wuchs.
    Dieser etappenweise Übergang erklärt sich daraus, daß sich landwirtschaftliche Systeme als Resultat einer Viel­zahl von Einzelentscheidungen über die Aufteilung von Zeit und Mühe ganz allmählich herausbildeten. Bei der Nahrungssuche stehen Menschen, genau wie Tieren, nur begrenzte Ressourcen an Zeit und Energie zur Verfü­gung, die sie auf unterschiedliche Weise nutzen können. Versetzen wir uns einmal in einen jener angehenden Bau­ern hinein, der morgens aufwacht und sich

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