Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
Griers war nicht das größte Auktionshaus auf Tranquility, und hier wurden genauso häufig Kunstgegenstände wie Laymil-Artefakte versteigert, aber es war ein gut geführtes, seriöses Unternehmen. Und Barrington Grier hatte den neunzehnjährigen Joshua Calvert, der gerade von seiner ersten Schatzsuche zurückgekommen war, als einen gleichwertigen Partner behandelt, wie einen Professionellen. Mit Respekt. Seither hatte Joshua seine Auktionen ausschließlich hier durchgeführt.
Der Auktionssaal befand sich im fünfzehnten Stockwerk des St.-Marys-Sternenkratzers. Die Polypwände waren mit dunklen Eichenpaneelen verkleidet, und rote Samtvorhänge bedeckten die Eingänge. Der Boden war mit dicken königsblauen Teppichen ausgelegt. Kunstvolle Kristalleuchter warfen ein helles, freundliches Licht auf das Geschehen. Joshua fühlte sich fast, als wäre er im viktorianischen Zeitalter in irgendeinem Londoner Haus. Barrington Grier hatte ihm einmal anvertraut, daß er genau diesen Effekt hervorrufen wollte: ein leises und würdevolles und vertrauenswürdiges Unternehmen. Das große Fenster hinter dem Auktionator verdarb die Atmosphäre ein wenig: draußen drehten sich träge die Sterne, während Falsia, der sechste Mond Mirchuskos, wie eine aquamarinfarbene Sichel durch das Panorama wanderte.
»Dreihundertfünfzigtausend zum Ersten.«
Falsia verschwand hinter dem Rücken des Auktionators.
»Dreihundertfünfzigtausend zum Zweiten.«
Der Mann hob den antiken hölzernen Hammer. Falsia tauchte hinter seiner Schulter wieder auf.
»Und zum Dritten.«
Der Hammer sauste herab, und es gab ein knallendes Geräusch. »Verkauft an Mrs. Melissa Strandberg. Herzlichen Glückwunsch.«
Ein lautes Stimmengewirr erhob sich, während die Glaskugel weggetragen wurde. Die Luft vibrierte vor Aufregung und Erwartung. Joshua saß in der zweiten Reihe. Seine Nerven standen in Flammen, und er spürte, wie die Spannung ringsum ständig zunahm. Unbehaglich drehte er sich um und achtete peinlich genau darauf, mit den Füßen keinen seiner Nachbarn zu berühren. Er hatte noch immer Schmerzen in den Füßen, wenn er sie zu schnell belastete. Seine Beine steckten bis zu den Knien in nanonischen Medipacks. Sie sahen aus wie merkwürdige grüne Lederstiefel, die fünf Nummern zu groß waren. Die Medipacks besaßen eine schwammartige Struktur, und Joshua fühlte sich, als würde er hüpfen, wenn er ging.
Drei Assistenten des Auktionators brachten eine neue Vakuumkugel zum Tisch. Sie maß eineinhalb Meter im Durchmesser. Auf der Oberseite befand sich eine matt schimmernde goldene Krone aus Wärmetauschern, die dafür sorgten, daß die Innentemperatur nicht den Gefrierpunkt überschritt. Eine dünne Reifschicht trübte das ansonsten klare Glas. Die Unterhaltungen im Auktionssaal brachen schlagartig ab.
Joshua erhaschte einen Blick auf Barrington Grier, der neben dem Podium stand; ein Mann mittleren Alters mit pausbäckigem rotem Gesicht und einem blonden Schnurrbart. Er trug einen nüchternen marineblauen Anzug mit weiter Hose und hochgeschlossener, weitärmeliger Jacke. Eine ganz dünne Spirale in Orange zog sich über das glänzende Satin des Stoffs. Barrington bemerkte Joshuas Blick und zwinkerte ihm zu.
»Und jetzt, Ladies und Gentlemen, kommen wir zum letzten Stück des heutigen Tages, mit der Katalognummer 127. Ich denke, ich kann ohne Übertreibung behaupten, daß es sich um einen einzigartigen Fund handelt, wie ich ihn im Verlauf meiner Karriere noch nicht gesehen habe. Es handelt sich um ein Modulmagazin, vollgestopft mit Laymil-Elektronik, das seit der großen Katastrophe im Eis konserviert war. Wir konnten sowohl Prozessorchips als auch eine ganz beträchtliche Anzahl von Festkörperkristallspeichern im Innern identifizieren, ausnahmslos in allerbestem Zustand. In diesem einen Modulmagazin befinden sich mehr Kristalle, als wir insgesamt seit der Entdeckung des Ruinenrings bis zum heutigen Tag gefunden haben. Ich überlasse es Ihnen, sich den unbeschreiblichen Reichtum an Informationen vorzustellen, die in diesen Kristallen gespeichert sind. Dieses Magazin ist ganz ohne jeden Zweifel der wertvollste Fund seit der Entdeckung des ersten erhaltenen Laymilkörpers vor über hundert Jahren. Und es ist mir eine besondere Freude, die Versteigerung mit dem moderaten Eröffnungsangebot von zwei Millionen edenitischen Fuseodollars zu eröffnen.«
Joshua hatte sich innerlich auf diesen Augenblick vorbereitet, doch aus der Menge ertönte nicht ein
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