Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
entladen, bunkerten neuen Treibstoff und setzten Passagiere ab oder nahmen neue an Bord.
Hinter der stumpf glänzenden silberweißen Scheibe des Raumhafens standen drei kreisförmige Simse stolz von der Abschlußkappe des Habitats ab: Häfen für die BiTek-Schiffe, die mit graziöser Beweglichkeit kamen und gingen. Ihre geometrische Verschiedenheit faszinierte den gesamten Raumhafen und den größten Teil der Habitatbevölkerung. Observationsstationen waren bei Jung und Alt gleichermaßen beliebt.
Mirchusko war der Gasriese, wo die Blackhawks sich paarten, wo sie gebaren und schließlich starben. Tranquility war eine der wenigen legitimen Heimatbasen der Blackhawks. Hier konnte man Blackhawk-Eier kaufen, für Preise ab zwanzig Millionen Fuseodollars aufwärts, und niemand stellte unangenehme Fragen.
Am Rand der Abschlußkappe erstreckten sich Hunderte von organischen Supraleitersträngen in den Raum. Sie unterlagen konstanter Abrasion durch Staub und Partikelbombardement und wuchsen in speziellen Drüsen ständig nach, um die beinahe täglichen Brüche zu kompensieren. Durch die Rotation des Habitats waren die Kabel stets perfekt gestreckt und zeigten von der Hülle weg wie die bleigrauen Speichen eines kosmischen Fahrradreifens. Die Stränge durchschnitten die Fluxlinien von Mirchuskos gewaltiger Magnetosphäre und erzeugten auf diese Weise einen gewaltigen elektrischen Strom, der sowohl die biologischen Vorgänge in Tranquilitys Mitoseschicht als auch die zentrale Lichtröhre und die Häuser und Anlagen der Bewohner mit Energie versorgte. Tranquility saugte Jahr für Jahr Tausende von Tonnen Asteroidenmaterial in sich auf, um seine Polypstruktur zu regenerieren und die Biosphäre im Innern zu kräftigen, doch chemische Reaktionen allein reichten ganz unmöglich aus, um auch nur einen Bruchteil der Energie zu erzeugen, die nötig war, um die menschlichen Bewohner zu ernähren.
Unterhalb der Abschlußkappe, hinter den Induktionssträngen, etwa in der Mitte des Zylinders existierte eine Stadt mit mehr als drei Millionen Bewohnern: Ein Band von Sternenkratzern, das sich um den äußeren Äquator des Polyps zog. Fünfhundert Meter hohe Türme, die aus der Hülle ragten, durchsetzt mit transparenten Scheiben, die warmes gelbes Licht in den Raum abstrahlten. Die Aussicht aus den luxuriösen Apartments im Innern der Türme war atemberaubend: Sterne wechselten sich mit dem sturmgepeitschten Gasriesen und seinem kleinen Reich aus Ringen und Monden ab, ewig gleich und doch immer anders, während der Polypzylinder rotierte und an der Basis der Türme Erdschwerkraft erzeugte. Hier erlebten Adamisten die Aussicht, die jeder Edenit von Geburt an kannte.
Kein Wunder also, daß Tranquility mit seinen liberalen Bankgesetzen, der niedrigen Einkommenssteuer, der Verfügbarkeit von Blackhawks zum Chartern und einer unparteiischen Habitat-Persönlichkeit, die das Innere von Tranquility überwachte und eine verbrechensfreie Umgebung sicherstellte (unabdingbar für den Seelenfrieden der zahlreichen Millionäre und Milliardäre, die auf Tranquility lebten), daß dieses Tranquility blühte und zu einem der größten unabhängigen Handels- und Finanzzentren der Konföderation geworden war.
Doch es war nicht als Steuerparadies geplant gewesen, jedenfalls nicht zu Anfang. Das war erst später gekommen, aus einer verzweifelten Notsituation heraus. Tranquility war im Jahre 2428 germiniert worden, auf Befehl des damaligen Kronprinzen von Kulu, Michael Saldana. Der Polyp war eine modifizierte Version eines normalen edenitischen Standardhabitats, mit einer ganzen Reihe einzigartiger Extras, die der Prinz gewünscht hatte. Saldana hatte Tranquility als Basis geplant, von der aus die besten Xeno-Forscher Kulus die Spezies der Laymil studieren konnten. Ein Plan, mit dem er sich den beträchtlichen Zorn seiner gesamten Familie zugezogen hatte.
Kulu war eine christliche Kultur, und die Bevölkerung war sehr fromm. Der König von Kulu war der Erste Hüter des Glaubens im gesamten Reich, und wegen der düsteren Assoziationen, die BiTek mit den Edeniten verband, hatten die Adamisten (ganz besonders die sogenannten guten Christen) diesen Zweig der Technologie quasi vollkommen aufgegeben.
Möglicherweise wäre Prinz Michael mit der Schaffung Tranquilitys durchgekommen: Ein selbsterhaltendes BiTek-Habitat war die logische Konsequenz für ein isoliertes akademisches Forschungsprojekt, und wahrscheinlich hätte geschickte Propaganda den Skandal
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