Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
Versteigerung, wenn sie wieder angedockt hatten.«
Trotz des warmen Gewichts, das auf ihm lastete, kehrte das merkwürdige Frösteln zurück. Lag es an der beiläufigen Weise, wie sie es gesagt hatte, oder war es die unglaubliche Selbstsicherheit in ihren Worten? »Wer hat alles nachgeprüft, Ione? Wer ist ›wir‹?«
Sie kicherte erneut. »O Joshua! Kannst du es dir immer noch nicht denken? Vielleicht habe ich mich in dir getäuscht, obwohl ich einräume, daß du mit anderen Dingen abgelenkt warst, seit wir hier angekommen sind.«
»Was denn denken?«
»Ich. Wer ich bin, was denn sonst?«
Das einschüchternde Gefühl eines bevorstehenden Fiaskos stieg in ihm auf wie eine mächtige Flutwelle. »Nein«, sagte er heiser. »Keine Ahnung.«
Sie lächelte und stemmte sich auf ihre Ellbogen. Ihr Gesicht befand sich zehn Zentimeter vor dem seinen, und sie blickte ihn spöttisch an. »Ich bin die Lady Ruin«, sagte sie.
Er lachte, eine Art nervöses Hüsteln, das rasch erstarb. »Meine Güte, du machst keine Witze.«
»Absolut nicht, Joshua.« Sie rieb ihre Nase an seiner. »Sieh dir meine Nase an.«
Er tat wie geheißen. Sie besaß eine schmale Nase, mit einer nach unten gebogenen Spitze. Die Saldana-Nase, jenes berühmte Charakteristikum, welches die königliche Familie Kulus seit zehn Generationen durch jegliche genetische Manipulation hindurch mitgeschleppt hatte. Böse Zungen behaupteten, die Genetiker hätten die Nasenform der Saldanas absichtlich in ein dominantes Gen verwandelt.
Sie sagte die Wahrheit. Joshua konnte es spüren. Seine Intuition sagte es ihm, und sie war so stark wie an dem Tag, an dem er die Laymil-Elektronik gefunden hatte. »Ach du heilige Scheiße.«
Sie küßte ihn und setzte sich zurück, faltete die Hände im Schoß und blickte ihn selbstgefällig an.
»Aber warum?« fragte er.
»Warum was?«
»Meine Güte!« Er fuchtelte in verzweifelter Erregung mit den Armen in der Luft. »Warum sollen die Leute nicht wissen, daß du die Herrscherin von Tranquility bist? Warum zeigst du dich nicht? Warum … Warum führst du dieses seltsame Forschungsprojekt fort? Dein Vater ist tot – wer hat sich in den letzten acht Jahren um dich gekümmert? Warum ausgerechnet ich? Was hast du gemeint mit ›Vielleicht habe ich mich in dir getäuscht?‹«
»In welcher Reihenfolge möchtest du die Antworten? Sie hängen zwar alle zusammen, aber ich denke, ich fange von vorne an, damit du mir folgen kannst.
Ich bin eine achtzehn Jahre alte Frau, Joshua. Und ich bin eine Saldana, oder zumindest besitze ich das genetische Super-Erbe der Saldanas, was bedeutet, daß ich gut zwei verdammte Jahrhunderte alt werde, einen weit überdurchschnittlichen IQ besitze und die gleichen internen Verstärkungen habe wie du – und noch einige andere Aufrüstungen. Oh, wir sind schon eine ganz besondere Brut, wir Saldanas. Genau das Richtige, um gewöhnliche Sterbliche wie euch zu regieren.«
»Und warum tust du es dann nicht? Warum verschwendest du deine Zeit damit, dich auf Partys rumzutreiben und Typen wie mich ins Bett zu zerren?«
»Es hat etwas mit Image zu tun, Joshua. Im Augenblick bin ich nicht mehr als ein schüchternes Pflänzchen. Vielleicht ist dir nicht bewußt, wie groß die Autorität der Habitat-Persönlichkeit von Tranquility ist. Sie ist allmächtig, Joshua, sie hält die Dinge im Fluß. Wir brauchen keine Gerichte, wir brauchen keine Staatsbediensteten, nichts. Die Persönlichkeit schützt die Verfassung von Tranquility, und sie ist unbestechlich und objektiv. Sie sorgt für die stabilsten politischen Verhältnisse in der gesamten Konföderation, wenn man von den Edeniten und vielleicht Kulu selbst einmal absieht. Das ist der Grund, warum Tranquility so erfolgreich ist. Nicht nur ein Steuerparadies, sondern auch in ökonomischer und politischer Hinsicht. Das Leben in Tranquility ist absolut sicher. Du kannst Tranquility nicht korrumpieren und nicht verfälschen, und du kannst es nicht einmal dann dazu bringen, die Gesetze zu ändern, wenn logische Argumente zwingend dafür sprechen. Du nicht. Ich schon. Die Persönlichkeit nimmt Befehle von mir entgegen – und nur von mir, denn ich bin die Lady Ruin. So wollte es mein Großvater Michael: ein Herrscher, der sich einer einzigen Aufgabe hingibt, dem Regieren. Mein Vater hatte eine Menge Kinder von vielen Frauen, und sie alle besaßen das Affinitätsgen … aber sie alle sind gegangen und Edeniten geworden. Mit Ausnahme von mir. Ich wurde in einem
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