Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
ein unbedeutender kleiner weißer Lichtpunkt, umrandet von roten Graphiken, der sich langsam über den Horizont Mirchuskos erhob.
»Generatoren hochgefahren und bereit«, verkündete Melvyn Ducharme.
»Dahybi?« fragte Joshua.
»Energiemuster stabil«, meldete Dahybi Yadev mit ruhiger Stimme. Dahybi war der Musterprozessor-Ingenieur (MPI) der Lady Macbeth.
»O.K. Sieht ganz danach aus, als würde die gute alte Lady gleich den ersten Sprung durchführen.« Joshua gab Befehl, die Energiemusterzellen hochzufahren, und leitete den gesamten Ausstoß der Generatoren in die Schwingkreise. Rosenheim stieg höher und höher hinter dem Horizont hervor, während die Lady Macbeth auf ihrem Orbit um Mirchusko dahinjagte.
Meine Güte, mein erster richtiger Sprung!
Dem physiologischen Monitorprogramm seiner neuralen Nanonik zufolge war sein Herzschlag auf hundert, Tendenz steigend. Es war allgemein bekannt, daß manch ein Anfänger in Panik geriet, wenn der Augenblick des ersten Sprungs nahte, aus Angst vor dem, was geschehen würde, wenn die Energieloci plötzlich desynchronisierten. Dazu brauchte es nicht viel mehr als eines winzigen Fehlers, eines einzigen abgestürzten Monitorprogramms.
Nicht ich. Nicht dieses Schiff!
Per Datavis befahl er dem Bordrechner, die Wärmeableitpaneele und die Sensorbündel einzufahren.
»Knoten voll geladen«, meldete Dahybi Yadev. »Sie gehört dir, Joshua.«
Er mußte grinsen. Die Lady Macbeth war immer sein Schiff gewesen.
Die Ionenantriebe flackerten auf, als er eine letzte Kurskorrektur vornahm. Rosenheim glitt in die Röhre aus grünen Ringen, bis das System genau im Zentrum stand. Ziffern huschten rückwärts über digitale Anzeigen auf Null; Sekunden, Zehntelsekunden, Hundertstelsekunden, Tausendstel.
Joshuas Befehl jagte mit Lichtgeschwindigkeit in die Knoten. Energie floß, und ihre Dichte raste auf Unendlich zu.
Aus dem Nichts heraus erhob sich ein Ereignishorizont und hüllte die Lady Macbeth ein. Innerhalb fünf Millisekunden schrumpfte der Horizont zu einem Nichts zusammen, und die Lady Macbeth war verschwunden.
Erick Thakrar stieg in den Lift des St.-Michelle-Sternenkratzers und fuhr damit in die vierunddreißigste Etage hinunter. Dort stieg er aus und ging die letzten beiden Treppenabsätze zu Fuß. Im Vestibül der fünfundvierzigsten Etage war niemand zu sehen. Es war eine Büroetage, die Hälfte der Räume stand leer, und es war bereits neunzehn Uhr lokaler Zeit.
Thakrar betrat das Büro der Konföderierten Navy.
Commander Olsen Neale blickte überrascht von seinem Schreibtisch auf, als Erick eintrat. »Was zur Hölle machen Sie hier? Ich dachte, die Lady Macbeth wäre längst abgeflogen?«
Erick ließ sich schwer in den Sessel vor Neales Schreibtisch fallen. »Das ist sie auch.« Er schilderte in kurzen Worten, was geschehen war.
Commander Neale stützte den Kopf in die Hände und runzelte die Stirn. Erick Thakrar war einer von einem halben Dutzend Agenten, die von der KNIS auf Tranquility stationiert worden waren. Sie sollten auf unabhängigen Händlern (insbesondere solchen mit Antimaterieantrieben) und auf Blackhawks eingeschleust werden in der Hoffnung, damit Hinweise auf Piratenaktivitäten zu erhalten und auf Stationen, die illegal Antimaterie produzierten.
»Und Lord Ruin soll Joshua Calvert gewarnt haben?« erkundigte sich Neale in bestürztem Tonfall.
»Genau das hat jedenfalls der Vorarbeiter im Dock behauptet.«
»Mein Gott, das hätte uns gerade noch gefehlt, daß dieses junge Gör Tranquility in eine Art anarchistischer Piratennation umwandelt! Vielleicht ist es eine Blackhawk-Basis, aber die Lords Ruin haben die Konföderation immer unterstützt.« Commander Neale starrte auf die nackten Polypwände ringsum, dann auf den AV-Projektor, der aus dem Prozessorblock auf seinem Schreibtisch ragte – halb in der Erwartung, daß die Habitat-Persönlichkeit sich mit ihm in Verbindung setzen und die Anschuldigung dementieren würde. »Glauben Sie, Ihre Deckung ist aufgeflogen?«
»Keine Ahnung. Die Reparaturmannschaft glaubt, daß alles nur ein großer Scherz sei … Offensichtlich hat Calvert irgendein junges Ding eingestellt, das meinen Platz einnimmt. Die Jungs meinten, es wäre ein ziemlich hübsches junges Ding gewesen.«
»Nun ja. Das paßt jedenfalls zu dem, was wir bisher über Calvert wissen. Durchaus möglich, daß er Sie gegen eine Mätresse eingetauscht hat.«
»Und was sollte dann der Hinweis auf die Lady Ruin?« fragte
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