Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
blitzte ihr Filetiermesser auf, und einer der Männer ging zu Boden. Er umklammerte seine Wade. Dann holte jemand mit einem schweren Stock zum Schlag aus.
Leslie sah und hörte nie, ob er die Frau traf. Er warf sich auf die Bande von Siedlern, die ihm entgegenstürzten. Powel Manani war mitten unter ihnen, und er hatte die schweren Fäuste schlagbereit erhoben. Leslies Welt versank in einem Chaos, in dem nur noch Instinkte herrschten. Fäuste trafen ihn aus allen Richtungen, und er schlug in blinder Wut um sich. Männer schrien und brüllten. Eine fleischige Hand hatte ihn an den Haaren gepackt, und es gab ein furchtbares, reißendes Geräusch, als sie ihm ganze Strähnen aus der Kopfhaut riß. Schaum und Gischt wirbelte ringsum, als ob er unter einem Wasserfall kämpfte. Fänge umklammerten eine seiner Fäuste und rissen seinen Arm nach unten. Ein lautes Knurren, das Krachen zersplitternder Knochen, das nicht mehr aufzuhören schien. Leslies Welt bestand nur noch aus Schmerz. Schmerz überflutete jede einzelne Nervenbahn. Irgendwie machte es ihm nicht halb soviel aus, wie es eigentlich sollte. Er konnte nicht mehr so zurückschlagen, wie er wollte. Seine Arme gehorchten ihm nicht mehr. Er bemerkte, daß er in die Knie gegangen war, und seine Sicht schwand zu grau-roten Streifen. Der kochende schlammige Fluß hatte sich dunkelrot gefärbt.
Dann geschah einen Augenblick lang gar nichts. Leslie wurde von unüberwindlichen Händen gehalten. Powel Manani ragte vor ihm auf. Der schwarze Bart des mächtigen Mannes war naß und dreckig, und Manani grinste bösartig, während er ausholte. In der kurzen Stille hörte Leslie ein Kind in der Ferne verzweifelt weinen. Dann krachte Mananis schwerer Stiefel mit aller Kraft, die der muskulöse Mann aufbringen konnte, in Leslies Unterleib.
Die Flutwelle aus Schmerz löschte jeden anderen Funken Bewußtsein aus. Leslie wurde im Zentrum eines dichten roten Nebels gefangen, und er hörte und fühlte nichts mehr von dem, was außerhalb geschah. Die Welt ging unter in übelkeitserregendem, würgendem Schmerz.
Rot verwandelte sich in Schwarz. Fetzen von Wahrnehmung kehrten zurück. Sein Gesicht wurde in kalten Kies gedrückt. Das war irgendwie wichtig, doch er konnte sich nicht erinnern warum. Seine Lungen brannten wie Feuer. Sein Kiefer war zerschmettert und nutzlos, und so bemühte sich Leslie, durch seine zerschlagene Nase zu atmen. Das schlammige, blutgetränkte Wasser des Quallheim River ergoß sich in seine Lungen.
Lawrence Dillon rannte um sein Leben. Er rannte davon vor dem Irrsinn, der offensichtlich von den Einwohnern Aberdales Besitz ergriffen hatte. Lawrence und Dillon hatten in den Schrebergärten hinter dem Langhaus gearbeitet, als die Siedler von ihrer Suche nach dem kleinen Jungen zurückgekehrt waren. Die hohen Bohnenstangen und die blühenden Süßkornpflanzen hatten sie vor Entdeckung bewahrt, als die Männer Kay und Leslie und Tony unten am Fluß angegriffen hatten. Lawrence hatte noch niemals zuvor eine derart ungezügelte Gewalt gesehen. Selbst Quinn war nicht so tollwütig. Quinns Gewalt war zielgerichtet und verfolgte stets einen Zweck.
Lawrence und Douglas hatten wie betäubt dagestanden und mit angesehen, wie ihre Kameraden unter den Schlägen gefallen waren. Erst als Powel Manani wieder aus dem Wasser und zurück ans Ufer gewatet war, hatten sie daran gedacht zu fliehen.
»Wir müssen uns trennen!« hatte Lawrence Douglas zugerufen, als sie in den Dschungel gerannt waren. »Auf diese Weise sind unsere Chancen größer.« Er hörte das laute Bellen des Monstrums namens Vorix und drehte sich um. Die Bestie jagte quer durch das Dorf hinter ihnen her. »Schlag dich zu Quinn durch! Du mußt ihn warnen!« Dann rannten sie auseinander und brachen in verschiedenen Richtungen durch das Unterholz, als wäre es aus Papier.
Kurze Zeit später fand Lawrence einen schmalen, verlassenen Wildwechsel. Er wucherte allmählich wieder zu; die Danderil hatten ihn nicht mehr benutzt, seit die Siedler aufgetaucht waren. Doch es reichte, um ihn schneller laufen zu lassen. Seine zerfledderten Schuhe fielen auseinander, und er hatte nichts an außer Shorts. Kriechpflanzen und Ranken rissen mit ihren spitzen, messerscharfen Dornen in seine Haut. Es spielte keine Rolle. Überleben war alles, was jetzt zählte. Er mußte so weit wie möglich weg von der Siedlung.
Und dann jagte Vorix hinter Douglas her. Lawrence stieß einen lautlosen Dankesschrei an den Lichtbruder aus, daß
Weitere Kostenlose Bücher