Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
meisten Angehörigen meiner Familie weiterführende landwirtschaftliche Schulen.«
»Und? Werden Sie sich Ihren Familienangehörigen anschließen?«
»Möglicherweise. Vater hat noch nichts gesagt. Ich würde schon gerne. Eines Tages werde ich Cricklade erben, verstehen Sie, und ich will mehr sein als nur eine Galionsfigur.«
»Ich bin sicher, das werden Sie, Louise. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie mit dem Leben einer Galionsfigur zufrieden wären, ganz gleich von was.« Er war selbst überrascht über den ernsten Klang seiner Stimme.
Louise schlug die Augen nieder und sah, daß sie die Hände in ihrem Schoß in einer fast ganz und gar nicht damenhaften Weise verknotet hatte. Was um alles in der Welt brachte sie dazu, so daherzuplappern?
»Ist das jetzt Cricklade?« erkundigte sich Joshua. Die Felder waren größeren Parklandschaften gewichen, die sich zwischen den Hainen erstreckten. Schafe und Vieh weideten einträchtig neben einigen rinderähnlichen Xenos, die mit ihren langen muskulösen Beinen und den halbrunden Hufen wie extrem behaartes Rotwild aussahen.
»Genaugenommen fahren wir über Cricklade-Land, seit wir die Stadt verlassen haben«, sagte William Elphinstone abfällig.
Joshua schenkte Louise ein ermutigendes Lächeln. »So weit das Auge reicht, wie man so schön sagt?«
»Ja.«
»Dann verstehe ich, warum Sie es so sehr lieben. Wenn ich mich jemals niederlasse, dann möchte ich, daß es auf einem Land wie diesem hier geschieht.«
»Besteht die Möglichkeit, daß wir ein paar der berühmten Rosen zu sehen bekommen?« fragte Dahybi laut.
»Ja, selbstverständlich«, antwortete Louise plötzlich steif. »Wie schrecklich unachtsam von mir! Cousin Kenneth hat extra darauf hingewiesen, daß es Ihr erster Besuch auf Norfolk ist.« Sie wandte sich um und tippte den Fahrer auf die Schulter. Die beiden wechselten ein paar Worte. »Hinter dem Wald dort liegt ein Hain«, sagte sie dann. »Wir werden einen kleinen Abstecher unternehmen.«
Der »Hain« war sicherlich zehn Morgen groß und nahm den gesamten nördlichen Hang eines Hügels ein. Um möglichst viel von beiden Sonnen einzufangen, wie Louise erklärte. Der Hain war von einer Trockensteinmauer umsäumt, die zum größten Teil von einem Moos-Analogen mit winzigen pinkfarbenen Blüten überwuchert war. Die flachen Steine zerbröckelten nach und nach als Folge von Frost und Erosion, und man hatte nur an den am schlimmsten betroffenen Stellen zaghafte Reparaturversuche unternommen. In einer Ecke des Hains stand eine langgestreckte Scheune mit einem reetgedeckten Dach; auch hier hatte sich das Moos einen Weg in das Stroh gebahnt und die vom Alter geschwärzten Bündel gelockert. Durch den offenen Eingang der Scheune schimmerten neue hölzerne Paletten, auf denen sich Tausende konischer weißer Gebilde stapelten, die aussahen wie Blumentöpfe.
Trockene, unbewegte Luft verstärkte den ruhigen Eindruck der Landschaft und trug ihren Teil zum Eindruck von vornehmem Niedergang bei. Wären nicht die perfekt gepflegten Reihen von Pflanzen gewesen, hätte Joshua das Land für verwahrlost gehalten, für den Spleen eines hobbymäßigen, schlampigen Landbesitzers und nicht den wichtigsten Industriezweig des gesamten Planeten.
Norfolks weinende Rose war die zweifellos berühmteste Pflanze der gesamten Konföderation. In naturbelassenem Zustand ein dornenloser, schnellwachsender Busch, der bevorzugt auf gut entwässertem, torfigem Untergrund gedieh. Die kultivierte Form in den Hainen wurde an drei Meter hohen Drahtgittern gezogen. Die jadegrünen Blätter waren handtellergroß und erinnerten mit ihren tief gezackten Rändern an terranischen Ahorn. Die Spitzen leuchteten in einem stumpfen Rot.
Doch nicht die Blätter, sondern die Blüten erweckten Joshuas Neugier: gelb-goldene Blüten mit einem Durchmesser von fünfundzwanzig Zentimetern, deren fleischige Blätter eine zentrale, zwiebelförmige Fruchtkapsel umhüllten. Jede einzelne Pflanze des Hains besaß fünfunddreißig bis vierzig derartige Blüten, die stolz auf fleischigen grünen Stengeln von der Dicke eines Männerdaumens thronten. Unter der erbarmungslosen Helligkeit Dukes hatten die Blüten eine spektrale limonenfarbene Korona entwickelt.
Zu viert wanderten sie ein kleines Stück über den gemähten Rasen zwischen zwei Reihen Rosen. Sorgsames Beschneiden hatte dafür Sorge getragen, daß jede einzelne Blüte dem vollen Sonnenlicht ausgesetzt war und sich nicht mit einer anderen
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