Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
gleichzeitig einen vernünftigen Lebensstandard zu gewähren. Und die Pflüge von Pferden ziehen zu lassen wäre für Mensch und Tier die reinste Schinderei. Das ist es nicht, was Norfolk ausmacht. Unsere Vorväter wollten ein ländliches Leben, das allen Menschen Freude bereitet.« Es klang in Joshuas Ohren ein wenig zu sehr nach Verteidigung, andererseits hatte dieser William Elphinstone schon bei ihrer Vorstellung einen gereizten Eindruck erweckt.
»Woher kommt die Energie?« fragte Joshua.
»Solarzellen reichen für die Versorgung der Haushalte aus, aber der Strom für die Landwirtschaft und unsere Industrie stammt zu neunzig Prozent aus geothermalen Kraftwerken. Wir kaufen in der Konföderation thermoelektrische Fasern und bohren sie drei oder vier Meilen tief in den Gesteinsmantel. Die meisten Städte besitzen fünf oder sechs Wärmeschächte. Sie sind praktisch wartungsfrei, und die Fasern überdauern leicht einige Jahrhunderte. Eine viel elegantere Lösung als die Errichtung von Staudämmen und das Überfluten von Tälern.«
Interessant, wie er das Wort Konföderation betont, dachte Joshua. Beinahe so, als gehöre Norfolk überhaupt nicht dazu.
»Das alles erscheint Ihnen vermutlich schrecklich umständlich«, sagte Louise.
»Ganz im Gegenteil!« entgegnete Joshua. »Was ich bisher gesehen habe, ist bewundernswert. Sie sollten einmal eine der sogenannten fortgeschrittenen Welten besuchen, auf denen ich gewesen bin. Technologie verlangt von der Gesellschaft einen außerordentlich hohen Preis. Es gibt entsetzlich viel Kriminalität und Laster. In einigen Städten existieren Gegenden, die man nicht einmal mehr am hellichten Tag ungefährdet betreten kann.«
»Letztes Jahr wurden auf Kesteveen drei Menschen ermordet!« sagte Louise.
William Elphinstone runzelte die Stirn, als wollte er einen Einwand erheben, doch er schwieg.
»Ich glaube, Ihre Vorfahren haben eine wunderbare Verfassung ausgearbeitet«, sagte Joshua.
»Allerdings trifft sie die Menschen ziemlich hart, die krank sind oder verletzt werden«, gab Dahybi Yadev zu bedenken.
»Davon gibt es auf Norfolk nicht viele«, entgegnete William Elphinstone. »Schon unser Lebensstil trägt dafür Sorge, daß Norfolks Einwohner gesund sind. Und unsere Krankenhäuser sind durchaus imstande, die meisten Verletzungen zu behandeln.«
»Einschließlich Cousin Gideon«, fügte Louise vielsagend hinzu.
Joshua unterdrückte ein Grinsen, als William Elphinstone sie mit einem strafenden Blick bedachte. Die junge Frau war längst nicht so fügsam, wie er im ersten Augenblick vermutet hatte. Sie saßen sich in der Kutsche gegenüber, was ihm eine gute Gelegenheit verschaffte, Louise unauffällig zu betrachten. Er hatte angenommen, daß sie und William Schmerz-im-Arsch Elphinstone ein Paar waren, doch nach der Art und Weise zu urteilen, wie sie ihn ganz offensichtlich ignorierte, war das auf einmal gar nicht mehr so wahrscheinlich. Und die konstant kalte Schulter wiederum schien William Schmerz-im-Arsch Elphinstone gehörig gegen den Strich zu gehen.
»Offengestanden ist William nicht ganz ehrlich«, fuhr sie unbeeindruckt fort. »Wir werden nicht krank, weil die meisten unserer Vorfahren genetisch verändert wurden, bevor sie nach Norfolk kamen und hier siedelten. Es ist schließlich nur vernünftig, sich von vornherein zu schützen, wenn man auf einem Planeten zu leben beabsichtigt, der willentlich die modernsten medizinischen Verfahren ausschließt. In dieser Hinsicht jedenfalls genügen wir nicht ganz dem einfachen, ländlichen Ideal. Vor der Entwicklung der Gentechnologie wäre eine Gesellschaft wie unsere hier auf Norfolk wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen. Die Menschen hätten auf konstanter technologischer und medizinischer Weiterentwicklung bestanden, um ihr Leben zu verbessern.«
William Elphinstone drehte langsam den Kopf weg und starrte auf die Felder hinaus.
»Eine faszinierende Vorstellung«, sagte Joshua. »Man erreicht erst in dem Augenblick Stabilität, in dem man einen bestimmten technologischen Standard überschritten hat, und bis zu diesem Augenblick heißt die natürliche Ordnung der Dinge Veränderung. Haben Sie vielleicht vor, an der Universität Politikwissenschaften zu studieren?«
Sie preßte die Lippen ein wenig zusammen, bevor sie antwortete. »Ich glaube kaum. Frauen studieren im allgemeinen nicht. Außerdem gibt es auf Norfolk nicht viele Universitäten; schließlich benötigen wir keine Forschung. Allerdings besuchen die
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