Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
herausragender Schiffsführer, doch sein Geschäftssinn war mehr als fragwürdig. Und seine Mannschaft stand loyal zu ihm. Erick hatte genügend Geschichten von vergangenen Zeiten gehört, um zu wissen, daß sie sich nicht viele Gedanken darüber machten, wie sie ihr Geld verdienten. Hätte Erick gewollt, er hätte die gesamte Besatzung bereits eine Woche, nachdem er an Bord gekommen war, in Arrest nehmen lassen können – Aufnahmen von Unterhaltungen, die in einer neuralen Nanonik gespeichert waren, galten vor Gericht als zulässige Beweismittel. Doch Erick war hinter größeren Fischen her, nicht hinter einem heruntergekommenen Schiff mit einer Besatzung aus Verlierern. Die Villeneuve’s Revenge war sein Schlüssel zu ganz anderen illegalen Operationen in viel größerem Maßstab. Und alles sah ganz danach aus, als sollte das Spiel hier auf Tehama endlich seinen Anfang nehmen.
Nach dem Andocken auf dem nicht-rotierenden Raumhafen des Asteroiden machten sich vier Mitglieder der Besatzung auf den Weg zur Catalina-Bar. Die Bar lag in der Kaverne Los Olivos, der ersten fertiggestellten bewohnbaren Kaverne. Sie war zylinderförmig, neun Kilometer lang und fünf im Durchmesser. Das Catalina war eine der Lieblingsbars der Raumhafenmannschaft. Es gab Aluminiumtische und eine kleine Bühne für eine Live-Band, doch jetzt, um drei Uhr nachmittags, gab es nur wenige Besucher.
Die Bar befand sich in einer Höhle, die in die vertikale Abschlußwand der Kaverne gebohrt worden war, eine von mehreren tausend, die eine richtiggehende Höhlenstadt bildeten. Ein Band aus Glasfenstern und von Grünpflanzen geschmückter Balkone umrundete die gesamte Basis der Abschlußwand. Wie in einem edenitischen Habitat auch, so lebte auch hier niemand direkt auf dem Boden der Kaverne, der von einem öffentlichen Park und landwirtschaftlicher Nutzfläche eingenommen wurde. Doch damit endeten die Ähnlichkeiten auch schon. Erick Thakrar saß zusammen mit zwei seiner Schiffskameraden, Bev Lennon und Desmond Lafoe und mit seinem Kapitän André Duchamp an einem Tisch in einer Nische in der Nähe des großen Balkonfensters. Das Catalina befand sich in der Nähe der obersten Stockwerke der Stadt, wo eine Gravitation von fünfundsiebzig Prozent Erdschwere herrschte, und von wo aus man einen guten Ausblick in die Kaverne hatte. Erick war nicht sonderlich beeindruckt von dem, was sich seinen Augen darbot. Die Achse der Kaverne wurde von einer hundert Meter durchmessenden Kranbrücke eingenommen, die größtenteils von den schwarzen Röhren der Bewässerungssprenkler ausgefüllt war. In Abständen von zweihundertfünfzig Metern waren ringförmige Sonnenröhren angebracht, die ein schmerzhaft intensives violett-weißes Licht erzeugten. Ihnen fehlte die warme Glut der axialen Lichtröhren edenitischer Habitate, was von den Pflanzen weit unten auf dramatische Weise verdeutlicht wurde. Das Gras auf dem Boden der Kaverne war gelblich, und Bäume und Büsche waren dünn und zerbrechlich und entwickelten nicht das gewohnte üppige Blattwerk. Selbst das Getreide auf den Feldern wirkte hungrig (ein Grund, aus dem importierte Delikatessen in Asteroiden-Siedlungen so beliebt und profitabel waren). Es war, als wäre unerwartet der Herbst über eine tropische Landschaft hereingebrochen.
Die gesamte Kaverne wirkte beengt und improvisiert, wie die armselige Kopie der Vollkommenheit eines edenitischen Habitats. Erick wurde bewußt, daß er wehmütig an Tranquility zurückdachte.
»Dort kommt er«, murmelte André Duchamp. »Seid nett zu dem Anglo. Vergeßt nicht, wir brauchen ihn.« André Duchamp stammte von Carcassonne und war ein eingefleischter französischer Nationalist, der die Ethno-Engländer für alles Schlechte innerhalb der Konföderation verantwortlich machte, von versagenden optischen Faserverbindungen im Bordrechner bis hin zu seinen hohen Schulden bei der Bank. Selbst mit fünfundsechzig besaß er dank seiner Genmanipulation noch einen schlanken, geschmeidigen Körper, das Hauptmerkmal aller an die Schwerelosigkeit Angepaßten – und ein Gesicht ohne Ecken und Kanten. Wenn André Duchamp lachte, grinste unwillkürlich jeder im Raum mit, so stark war die Wirkung.
Er besaß die gleiche emotionale Ausstrahlung wie ein professioneller Clown.
Und jetzt in diesem Augenblick setzte er sein einladendstes Lächeln für den Mann auf, der unruhig zu ihnen an den Tisch geschlendert kam.
Lance Coulson war Seniorfluglotse im Zivilen Raumfahrtamt von Tehama, ein
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