Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
entgegenstrebte. Der Apex erstreckte sich bis in eine Höhe von mehr als tausend Kilometern über der Tropopause, und er tauchte mehr als ein Drittel der Nachtseite in sein bösartiges kupferfarbenes Licht.
Genau im Zentrum war das Leuchten unerträglich hell geworden. Eine Spitze aus massivem weißen Licht durchbrach die Wolkenkuppel und raste in den Raum hinaus.
»Herr im Himmel«, sagte Liol per Datavis. »Was ist das? Ist er explodiert?«
»Nichts dergleichen«, antwortete Joshua. »Das ist erst der Anfang. Von jetzt an wird es verdammt schnell ungemütlich.«
Die Lady Macbeth war bereits weit hinter dem hochschießenden Plasmastrom und raste um die Krümmung des Planeten, der Terminatorlinie entgegen. Und trotzdem schlugen die Thermosensoren noch Alarm, als die Strahlung des Plasmas über dem Rumpf zusammenschlug. Kryogenische Notaustauscher ventilierten Hunderte von Litern entflammter Flüssigkeit, um die Hitze nach draußen zu schaufeln. Die Prozessoren an Bord litten unter besorgniserregenden Aussetzern angesichts des gewaltigen elektromagnetischen Störfelds, das von dem wabernden Plasmastrom ausging, und selbst die gehärteten Schaltkreise militärischer Herkunft wurden beeinträchtigt. Und zu allem Überfluß rasten elektrische Ströme durch die Gerüststruktur des Schiffes, als die planetaren Magnetfelder ins Schwingen gerieten.
Dahybi hatte sich in Null-Tau zurückgezogen, womit nur noch Liol und Joshua übrig waren, um den Bordrechner zu kontrollieren, neue Instruktionen einzugeben, Reserveschaltkreise und -maschinen zu aktivieren, Lecks zu isolieren und die Stromschwankungen zu kompensieren. Sie arbeiteten perfekt zusammen, hielten die Flugsysteme funktionsfähig, und jeder wußte intuitiv, was nötig war, um den anderen zu unterstützen.
»Etwas ganz Merkwürdiges geschieht mit der Magnetosphäre des Planeten«, berichtete Beaulieu. »Die Sensoren registrieren gewaltige Schwankungen innerhalb der Fluxlinien.«
»Unwichtig«, antwortete Joshua. »Konzentriere dich darauf, daß unsere primären Systeme operabel bleiben. Noch vier Minuten, das ist alles, dann sind wir auf der anderen Seite des Planeten.«
An Bord der Urschel beobachtete Ikela auf einem der Brückenschirme die Eruption des Lichtersturms. »Heilige Mutter Maria, es funktioniert!« flüsterte er. »Es funktioniert tatsächlich.« Ein perverses Gefühl von Stolz mischte sich mit fatalistischer Bestürzung. Wenn nur … aber fruchtlose Wünsche waren schon immer ein Vorrecht der Verdammten.
Er ignorierte Oscar Kearns hysterische (und vollkommen unmögliche) Befehle, das Schiff auf der Stelle zu wenden und sie so schnell wie möglich von diesem verfluchten Planeten wegzubringen. Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts hatten einfach keine Ahnung von Orbitalmechanik. Die beiden Schiffe hatten seit inzwischen zwanzig Minuten auf ihrem gegenwärtigen Kurs konstant beschleunigt, und ihre Flugbahn verdammte sie zu einem Katapultmanöver. Sie konnten nur hoffen, auf der Bahn zu bleiben, und beten, daß sie das Perigäum hinter sich brachten, bevor eine weitere Aufwallung aus der Atmosphäre stieg. Genau das war es, was auch die Lady Macbeth versuchte. Verdammt gute Taktik, erkannte Ikela widerstrebend an.
Irgendwie glaubte er nicht, daß die Urschel es überstehen würde. Er wußte nicht genau, wie der Alchimist funktionierte, aber er bezweifelte ernsthaft, daß eine einzige Eruption alles gewesen sein sollte.
Mit einem Gefühl von Unausweichlichkeit, das eigenartigerweise jedes Bedauern und jeden Trübsinn überstrahlte, lehnte er sich passiv in seiner Beschleunigungsliege zurück und beobachtete die Schirme. Der ursprüngliche Plasmaschwall klang bereits ab, und die Wolkenkuppel verflachte und riß in Tausende neuer hyperschallschneller Orkane auf. Doch unter der schäumenden oberen Atmosphäre bildete sich bereits ein zweiter Lichtfleck, und er war um ganze Ordnungen größer als der erste.
Ikela lächelte zufrieden über seinen gottgleichen Ausblick auf das, was ein wahrhaft prachtvolles Armageddon zu werden versprach.
Der Alchimist wurde langsamer. Er hatte die halbfesten Schichten des Gasriesen passiert und flog jetzt durch den massiven Kern des Planeten. Jetzt erst war die Dichte der umgebenden Materie hoch genug, um seinen Flug zu verlangsamen. Das bedeutete jedoch nur, daß noch mehr Materie gegen seine Oberfläche gedrückt wurde, und mit ihr nahm die Geschwindigkeit der Neutroniumgeneration schnell weiter zu. Der
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